Delphi sehen und sterben
Sie tun?«
Aquillius reichte mir eine Schriftrolle. Ein weiterer Brief von Aulus. »Das wurde für Sie abgegeben.« Er schien beeindruckt zu sein, dass wir Korrespondenz empfingen.
»Wo kam es her?«
»Mit einem Schiff aus Athen. Weiß jemand, dass Sie hier sind, Falco?«
»Zufallstreffer«, behauptete ich. »Der Bruder meiner Frau. Netter Kerl. Wir müssen versuchen uns irgendwo mit ihm zu treffen. Er ist zum Studium hier und hat bestimmt Heimweh.« Da uns Volcasius gestern erzählt hatte, dass Aulus mit Statianus verduftet war, beschloss ich, Aulus nicht in meine Nachforschungen einzubeziehen, außer mir blieb nichts anderes übrig. Statianus könnte sich immer noch als der Mörder seiner Frau herausstellen. Falls sich Aulus törichterweise mit dem Bräutigam verbündet hatte, könnte das zu Problemen führen.
Ich war begierig darauf, den Brief zu lesen – und zu beantworten. Aulus musste vor Statianus gewarnt werden.
»Da wären noch zwei Sachen, Falco. Macht es Ihnen was aus, wenn wir kurz über Geschäftliches reden?« Aquillius war so daran gewöhnt, seinen griechischen Posten als Urlaub zu betrachten, dass es ihm anscheinend peinlich war, von Arbeit zu sprechen. Ich winkte ihn zu einer Bank, schälte mich aus meinem Mantel, den er anscheinend nicht bemerkt hatte, ließ meinen Wanderstab fallen und setzte mich zu dem Quästor.
»Wie gut, dass Sie gekommen sind, Aquillius. Ich hätte da eine Frage. Jemand aus der Reisegruppe …«
»Wie haben Sie die gefunden?«, unterbrach er.
»Die mögen zwar wie Puschelschwänzchen wirken, sind aber scharf wie Fleischerbeile, jeder Einzelne von ihnen. Einer fehlt …« Aquillius pulte nervös an der Purpurborte, als ginge dieser Lapsus auf seine Kappe. »Lassen Sie mich es anders ausdrücken«, sagte ich mit freundlicher Stimme. »Eigentlich sind es zwei.« Jetzt wurde er noch nervöser. Ein Teil seiner Purpurborte war hin. »Einer wird
bloß
vermisst – Statianus, der Ehemann der toten Frau. Sie haben bestimmt nachgezählt, und so wird es Ihnen sicher aufgefallen sein.« Ironie ist ein wunderbares Werkzeug. »Ein weiterer ist tot. Ich nehme an, das wissen Sie ebenfalls.« Ich nahm an, dass er es
nicht
wusste. Aquillius sah mich nur mit großen Augen an, wie immer beflissen, es allen recht zu machen. »Turcianus Opimus, der aus Gesundheitsgründen reiste, starb in Epidauros. Dieser Tod muss sorgfältig überprüft werden. Wenn Leute anfangen, aus unnatürlichen Gründen tot umzufallen, muss man die Fälle, bei denen jemand aus sogenannten natürlichen Ursachen stirbt, hinterfragen …«
»Und sich vergewissern?«
»Allmählich kriegen Sie den Bogen raus, mein Junge. Hören Sie, ich habe keine Zeit, nach Epidauros zu reisen. Zudem könnte es sich sowieso als reine Zeitverschwendung erweisen. Warum schicken Sie keinen Läufer zum Tempel des Asklepios und fordern von demjenigen, der sich im Heiligtum um den Mann gekümmert hat, eine formelle Aussage an?«
»Ich könnte ihn hierherbeordern.« Er hatte ganz schön Rosinen im Kopf.
»Soll mir recht sein. Ich möchte Folgendes wissen: Was fehlte Opimus? Wurde seine Leiche gründlich untersucht? Passte seine Todesart zu seiner angeblichen Krankheit? Gab es irgendwelche Anzeichen für Eingriffe … Na ja, Sie kennen das Prozedere.« Er kannte gar nichts. Ich hielt es für unwahrscheinlich, dass jemand aus Epidauros kommen würde. Wenn doch, würde ich ihn selbst vernehmen. »Suchen Sie heute die Reisegruppe auf, Aquillius? Es könnte nicht schaden, wenn Sie fallenließen, dass ich Sie gebeten habe, für diese Sache zu sorgen. Ich will damit nicht sagen, dass mit Opimus etwas Schlimmes passiert ist, aber ich möchte allen klarmachen, dass ich gedenke, die Priester zu verhören.«
»Die Reisegruppe hat nach mir geschickt.« Aquillius klang mürrisch. »Dieser Tyrann Sertorius hat mich auf sehr unhöfliche Weise zu sich zitiert. Sie beschweren sich dauernd, Falco.«
»Die Leute machen eine schlimme Zeit durch«, wies ich ihn hin.
»Wer hat ihnen erzählt, dass Auslandsreisen Spaß machen?«
»Diesen Floh«, erklärte ich trocken, »hat ihnen Sieben-Stätten-Reisen ins Ohr gesetzt, Polystratus, dieser verlogene Hund aus dem Reisebüro in Rom, bei dem sie gebucht haben – und Phineus.«
In dem Moment fiel dem Quästor ein, mir seine wichtigste Nachricht mitzuteilen. »Phineus ist wieder in Korinth. Ich habe ihn gebeten, sich mit Ihnen in Kontakt zu setzen.«
Jetzt hatte er mir den Tag verdorben.
Ich wusste,
Weitere Kostenlose Bücher