Delphi sehen und sterben
dass der Reiseleiter sein Auftauchen so lange wie möglich hinauszögern würde. Im Elefant herumzusitzen, bis Phineus sich dazu herabließ, brachte nichts. Ich forderte Aquillius auf, sich den Kopf zu zerbrechen, wo sich der Mann rumtreiben könnte, und als ich dann losging, um die Kaschemmen und Märkte abzusuchen, nahm ich Aquillius sicherheitshalber mit. Ich verschaffe Regierungsbeamten gerne ein bisschen Training. Irgendjemand muss es ja tun.
Für Aquillius war es das erste Mal, sein Stiefelleder bei einer ausgedehnten Suchaktion abzuwetzen. Korinth war eine mächtige Stadt und voll von gewerblichen Schlupfwinkeln. Als wir beiden Bluthunde Phineus schließlich fanden, hatte der Quästor mehr Respekt vor meinen Spionagefähigkeiten gewonnen. Er stöhnte über Atemlosigkeit. Auch ich hatte Blasen und schlechte Laune, aber nach Jahren in diesem Spiel konnte ich damit umgehen. Außerdem musste ich meine Energie sparen. Phineus zu finden war für mich nur der Anfang.
Phineus war zu griechisch, um rein römisch zu sein, und zu römisch, um wahrhaft griechisch zu sein. Dieser breitgebaute, schwergewichtige Typ trug eine halblange rote Tunika mit Ärmeln, einen glänzenden Gürtel mit einer dicken Geldbörse daran und abgetragene Stiefel, die gewaltige Waden und hässliche Zehen zur Schau stellten. Er hatte graumeliertes Haar (früher dunkel) und einen kurzen lockigen Bart. Manches entsprach dem, was ich erwartet hatte. Er lehnte an einem Tresen zwischen Leuten, die ihn offensichtlich kannten. Er verdiente seinen Lebensunterhalt als Mann mit Kontakten, das war deutlich zu erkennen. Er behandelte Aquillius Macer als einen seiner Kontakte, was mich abstieß. Ich schickte den Quästor los, andere Aufgaben zu erledigen, nur für den Fall, dass sich ihre Beziehung vom rein Diplomatischen zu einer mit zu viel Geben und Nehmen entwickelt hatte.
»Netter Junge!« Phineus sprach Latein, allerdings mit einer tiefen östlichen Stimme.
»Sehr hilfsbereit«, stimmte ich zu. Falls sich Aquillius von Phineus hatte kaufen lassen, war er ein Idiot. Phineus wäre ebenfalls ein Idiot, wenn er zuließe, dass ich es herausfände. Er war zu verschlagen; das würde also nicht geschehen. Aber ich hielt Aquillius nicht für helle genug, Verrat zu begehen. Er würde ein schmutziges Angebot nicht mal erkennen. Wenigstens würden Gauner wie Phineus nicht wissen, was sie von ihm halten sollten.
Während ich Phineus beäugte, machte er dasselbe offen mit mir. Ich ließ mich nicht davon abschrecken und musterte ihn weiter. Er verfügte über Körperkraft, die er sich auf irgendeine Weise antrainiert hatte. Beeindruckende Beine, und sein rechter Arm war stärker als der linke. Der Wohlstand war ihm anzusehen. Er war gepflegter und besser gekleidet als viele, die für Schiffs- und Maultiertransport sorgten. Trotzdem hatte er etwas Abgenutztes an sich. Ihm fehlten drei Schneidezähne, doch das traf auf viele Menschen zu.
Seine Einschätzung meiner Person würde genauso zweiseitig sein. Ich war Römer, sah aber im Gegensatz zu den meisten Männern, die ins Ausland reisten, weder wohlhabend noch wie ein Sklave aus. Ich war zusammen mit Aquillius gekommen, doch zwischen ihm und mir hatte eine gewisse Distanz geherrscht; ich hatte einen Befehl erteilt, der Aquillius davonzotteln ließ und den er wie von einem Gleichgestellten oder fast Gleichgestellten entgegengenommen hatte. Dass ich das anders empfand, konnte niemandem entgehen. Als der liebenswürdige Quästor mir zum Abschied zuwinkte, hatte ich die Geste nicht erwidert.
Ich trug eine lockere braune Tunika, gute italienische Stiefel, einen Gürtel mit einer keltischen Schließe und einen ziemlich schicken Dolch in einer spanischen Lederscheide. Das waren äußere Verzierungen; ich verfügte noch über Subtileres – Fähigkeiten, die kein aalglatter Geschäftsmann als selbstverständlich betrachten sollte. Ich sah so alt aus, wie ich war, fünfunddreißig in diesem Jahr, und so zäh, wie ich es je sein würde. Ich war herumgekommen und hoffte, dass man es mir ansah. Ich trug einen aventinischen Haarschnitt und ein aventinisches Starren zur Schau. Ich war bereit für alles und würde mir nichts bieten lassen.
»Sie sind also der Sonderermittler«, sagte Phineus. Er ließ es leichthin und wohlerzogen klingen. »Sie sind uns mehr als willkommen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich sein werde, wenn Sie das Geschehen aufklären und uns von dessen Schatten befreien.«
Er musste ein
Weitere Kostenlose Bücher