Delphi sehen und sterben
Cleonyma Minucia aufgehalten hätte, falls der Übeltäter
ihr
Mann gewesen wäre.
Ich spielte mit der Idee, dass Turcianus Opimus der Mörder war und Schuldgefühle seine Gesundheit verschlechtert hätten. Aber es musste ihm viel zu schlecht gegangen sein, um Valeria anzumachen, ganz zu schweigen davon, eine kerngesunde junge Frau zu überwältigen, falls sie ihn zurückgewiesen hatte.
Wenn Valerias Mörder aus dieser Reisegruppe stammte, blieb nur noch Phineus übrig, der Reiseleiter – der sich schon früher verdächtig verhalten hatte, plötzlich nach Rom abgehauen war, als Marcella Caesia verschwand –, oder, wie Aquillius geglaubt hatte, der Ehemann Statianus. Da ich bisher keinen der beiden kennengelernt hatte, hielt ich mich mit der Beurteilung zurück.
Als Alternative wäre noch möglich, dass Valeria von einem Außenseiter, einem Fremden ermordet worden war. Was es wahrscheinlicher machte, dass sie und Marcella Caesia ein ähnliches Schicksal erlitten hatten, im Abstand von drei Jahren, aber durch die Hand desselben Mannes. Meine Chancen, ihn dingfest zu machen, waren gleich null. Niemand führte Buch darüber, wer nach Olympia kam und es wieder verließ. Da weder Marcella Caesia auf dem Kronoshügel noch Valeria mit ihrem brutalen Begleiter gesehen worden waren, hing ich fest. Die einzige Möglichkeit, von der ich wusste, war Milon von Dodona, doch sein Verhalten am Tag nach Valerias Tod hatte selbst hartherzige Zeugen zu dem Schluss kommen lassen, dass er von dem Verbrechen keine Ahnung gehabt hatte. Außerdem benutzte er die falsche Farbe von Athletenstaub. Er hätte die Farbe wechseln können, aber das hätte auf Vorsätzlichkeit gedeutet. Ein derart rasender Angriff, wie ihn Valeria erlitten hatte, pflegt meist ungeplant zu sein.
Und noch etwas sprach für ihn. Gewisse Leute hatten mir unbedingt weismachen wollen, dass Milon der Täter war. Daher meine Entscheidung, ihn von vornherein auszuschließen.
Ich drücke mich nicht vor Heiklem: Danach sann ich über dieses ganze Olympia-Unternehmen nach. Falls jemand wie dieser nutzlose Priester Lacheses hinter Frauen her war, würde das erklären, warum sie mich so rasch abschoben, nachdem ich zu viele Fragen gestellt hatte. Ich hatte Lacheses nicht eindeutig in Verdacht, aber er irritierte mich und war daher ein leichtes Ziel für meinen Argwohn. Wenn es Lacheses oder ein anderer Diener dieses uralten Heiligtums gewesen war, würde es keinem römischen Ermittler je gelingen, ihn vor Gericht zu bringen. Meine einzige Hoffnung bestand darin, genug Ärger gemacht zu haben, um die Einheimischen zu zwingen, selber mit ihrem Dreck aufzuräumen.
Niemals würden sie etwas gegen Megiste und ihre Schlaftränke unternehmen. Milon von Dodona konnte von Glück sagen, überhaupt ein Begräbnis zu bekommen – wenngleich ich mich fragte, ob man ihm jetzt wohl doch noch seine Statue errichten würde. Manchmal büßt die korrupte Obrigkeit für ihre üblen Taten durch eine öffentliche Geste.
Helena weckte mich aus meiner Träumerei. Es war Abend geworden. Sie machte sich Sorgen um Gaius und Cornelius. In Gedanken noch mit meinen Problemen beschäftigt, pfiff ich Nux, die träge ein Auge öffnete und es wieder schloss. Helena sprang gehorsamer auf, als würde sie auf meinen Pfiff reagieren. Zusammen machten wir uns auf die Suche nach den Jungs.
Die Innenstadt von Korinth lässt sich nicht so leicht durchsuchen. Wir waren nahe des Stadttors zur Straße nach Lechaion, dem westlichen Hafen, untergebracht. Eine gerade, fast dreißig Fuß breite Straße brachte uns zum Marktplatz, wo ein gewaltiger Bogen zum Peirene-Brunnen führte. Für einen Stadtbrunnen war dieses kunstvoll verzierte Dramastück erstaunlich. Das Forum dahinter verfügte über eine reiche Auswahl an Basiliken, Läden, Altären und Tempeln. Meiner Zählung nach gab es mindestens drei Basiliken, daher musste die Bevölkerung habgierig und prozessfreudig sein. Ein ungewöhnliches zentrales Gebilde wie die Spina einer Rennbahn im Circus enthielt weitere Geschäftsgebäude und eine Rednertribüne, was uns bei unserer Suche den Blick auf die gegenüberliegende Seite des Forums versperrte.
Im Gegensatz zu vielen Provinzstädten war der Marktplatz nur der Beginn der öffentlichen Bereiche Korinths. An anderen kunstvoll gestalteten Plätzen standen zusätzliche Tempel, manche davon bedeutende Monumente. Es gab weitere Märkte. Es gab einen Kulturbereich mit einem sehr großen Theater, dramatisch im
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