Delphi sehen und sterben
bezahlen Sie das, was auf der Rechnung gefordert wird, prahlen Sie nicht mit dem Circus Maximus oder dem neuen Flavischen Amphitheater‹ …«
»›Pissen Sie, wo es erlaubt ist, klauen Sie keine Weihgaben, Andenkenverkäufer wollen, dass Sie feilschen, Geldwechsler nicht. Vergessen Sie nie, dass Athen eine Weltmacht war, als Romulus noch Milch von der Wölfin nuckelte‹ – ja, ja. Hält die Drecksäcke nicht davon ab, vor dem Denkmal bei den Thermopylen zu stehen, wo ihnen das Herz brechen sollte, und zu spotten: ›Aber Leonidas und die Spartaner haben
verloren!
‹«
»Hält sie nicht davon ab, ständig zu jammern?«, warf ich ein.
Phineus bedachte mich mit einem scharfen Blick. »Was ist Ihnen zu Ohren gekommen, Falco?«
»Keine Spiele in Olympia?«
Er sog Luft zwischen den fehlenden Schneidezähnen ein. »Die haben ja keine Ahnung!« Traurig schüttelte er den Kopf. »Große Götter, Falco! Kennen die Trottel denn die alte Geschichte nicht, in der ein Mann seinen Sklaven drohte, wenn sie sich schlecht benähmen, würde er sie zur Strafe zu den Olympischen Spielen schicken?«
»So schlimm?«
»Schlimmer! Oh, ich habe Gruppen während der Wettkämpfe dorthin begleitet.
Dann
können Sie ein Gejammer hören! Der reinste Alptraum. Selbst wenn sie wissen, wie es sein wird, schrecken sie vor dem tatsächlichen Erlebnis nicht zurück. Sie können sich nicht bewegen, sie können nichts sehen, sie werden von Flöhen gebissen und flachgelegt, sie schwitzen wie die Schweine in der Hitze, sie brechen vor Austrocknung zusammen, sie werden von Räucherwarenhändlern und Straßenkünstlern und Prostituierten ausgeraubt …« All das war mir inzwischen vertraut. Sein Geschwafel beeindruckte mich nicht. Phineus warf mir einen Seitenblick zu, um zu sehen, wie ich es aufnahm, und fuhr dann beharrlich fort: »Sie werden so eng zusammengequetscht, dass sie ohnmächtig werden. Wenn es mir gelingt, die Männer ins Stadion zu schleusen, hängen wir dort bis zum Schluss fest. Die Spiele sind gewalttätige Ereignisse, lange Tage, in denen man eng gedrängt unter der brennenden Sonne schmort, Lärm und Tumult überall um sich herum …«
»Und Sie können keine Frauen mitnehmen?«
»Ich würde keine Frauen mitnehmen, selbst wenn ich es könnte.«
Wir waren vor der südlichen Stoa stehen geblieben, einem langen, auf zwei Ebenen aus dem Fels gehauenen Säulengang. Über uns ragte auf seinem eindrucksvollen Felsvorsprung der Tempel des Apollon auf, Hunderte von Jahren alt. Der Tempel besaß eine lange und gelassen selbstbewusste Anordnung dicker, etwas gedrungener griechischer Säulen, die mir in Olympia vertraut geworden waren. Auf mich wirkten sie nicht so edel wie unsere höheren römischen Tempelsäulen. Helena sagte immer, Apollon sehe zwar recht gut aus, aber sie würde ihn nicht nach Hause zum Essen einladen. Er würde bestimmt seine Lyra mitbringen und einen Musikwettstreit anzetteln wollen. Genau wie Nero war Apollon dafür bekannt, zu schmollen und ekelhaft zu werden, wenn man ihn nicht gewinnen ließ.
»Sagen Sie mir, Phineus«, fragte ich ruhig, »stammt Ihre Abneigung gegen Frauen aus dem Jahr, als Sie Marcella Naevia und ihre vermisste Nichte mitnahmen?«
Phineus atmete aus und blies die Backen auf. »Das schon wieder!«
»Von wegen ›wieder‹. Es ist nie verschwunden.«
»Hören Sie, Falco, ich weiß nicht, was dem Mädchen angetan wurde. Ich weiß es
wirklich
nicht.« So, wie er das betonte, deutete es fast darauf hin, dass es andere Dinge gab, die er nicht zu wissen behauptete und an die ein anderer Wahrheitsmaßstab anzulegen sei. Ich fragte mich, welche das wohl waren.
»Und Valeria Ventidia, die zu Tode geprügelte Braut?«
»Über die weiß ich genauso wenig. Wie denn auch?«
Er und ich kühlten uns unter der Statue eines sich anschleichenden Löwen ab, suchten vor der brennenden Sonne Schutz im Schatten des gewaltigen Sockels. An einem wackligen Stand wurden Getränke verkauft. Ohne Kommentar zu Phineus’ letzter Bemerkung kaufte ich zwei Becher Wein, der mit Honig gesüßt war. Oder das, was hier für Wein durchging. Wir tranken im Stehen, um die Becher hinterher zurückgeben zu können.
»Ich war bei den Männern«, erinnerte mich Phineus. »Ich hatte sie zu einem improvisierten Siegesfestmahl mitgenommen. Als die Braut starb«, beharrte er.
Ich probierte mein Getränk erneut und sehnte mich nach vertrauteren Straßenangeboten. »Und als das Mädchen auf den Kronoshügel stieg, wo waren
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