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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Anwalt.
    ›Was tun?‹ erwiderte der Klient mit plötzlicher Heftigkeit. – ›Sie sollen jeden Kunstgriff des Gesetzes anwenden, der in Ihrer Gewalt steht, jeden Kniff gebrauchen, den der Scharfsinn auszudenken und die Bosheit durchzuführen vermag; gute Mittel, wie schlechte, den offenen Druck des Gesetzes und die ganze Schlauheit eines scharfsinnigen Praktikers. Ich möchte ihn einen qualvollen, langsamen Tod sterben lassen; ihn zugrunde richten, sein Hab und Gut an mich bringen und ihn von Haus und Hof vertreiben, daß er in seinen alten Tagen sein Brot vor den Türen betteln und in einem gemeinen Kerker sterben muß.‹
    ›Aber die Kosten, mein Wertester – die Kosten von all’ dem?‹ erwiderte der Anwalt, als er sich von seinem ersten Erstaunen erholt hatte. – ›Wenn der Beklagte ein ruinierter Mann ist, wer wird die Kosten bezahlen, Sir?‹
    ›Nennen Sie irgendeine Summe‹, sagte der Fremde, während seine Hand vor innerer Aufregung so heftig zitterte, daß er kaum die Feder halten konnte, die er bei diesen Worten ergriff, – ›irgendeine Summe und Sie sollen sie haben. Scheuen Sie sich nicht, sie zu nennen, ich werde sie nicht zu groß finden, wenn ich meinen Zweck erreiche.‹
    Der Anwalt nannte aufs Geratewohl eine bedeutende Summe, die er als Vorschuß nötig haben würde, um sich gegen die Möglichkeit eines Verlustes zu decken, aber mehr in der Absicht, sich zu überzeugen, wie weit sein Klient wirklich zu gehen gesonnen wäre, als in der Hoffnung, seine Forderung bewilligt zu sehen.
    Der Fremde schrieb für den ganzen Betrag eine Anweisung an seinen Bankier und ging.
    Sie wurde bezahlt, und da der Anwalt dadurch seinen fremden Klienten als einen verläßlichen Mann erkannte, schritt er mit allem Ernst ans Werk. Mehr als zwei Jahre lang saß Herr Heyling seit dieser Zeit ganze Tage in seiner Schreibstube über den Papieren, die sich immer mehr anhäuften, und las mit freudestrahlenden Augen die dringenden Vorstellungen, die Bitten um einen kleinen Aufschub, weil sonst der Schuldner seinem unvermeidlichen Untergang entgegeneilen würde – Briefe, die immer häufiger wurden, als einmal eine Forderung nach der andern eingeklagt worden.
    Auf alle Gesuche um eine kurze Nachsicht erfolgte nur eine einzige Antwort – das Geld müsse bezahlt werden. Haus und Hof, samt allem, was dazu gehörte, ward nach und nach bei den zahlreichen Pfändungen, die jetzt angeordnet wurden, weggenommen, und der alte Mann hatte unfehlbar ins Gefängnis wandern müssen, wenn er sich nicht der Wachsamkeit der Gerichtsboten durch die Flucht entzogen hätte. Der unversöhnliche Haß Heylings wurde durch den Erfolg seiner rachsüchtigen Bemühungen nicht nur nicht befriedigt, sondern durch das Elend, das er über sein Schlachtopfer verhängte, noch gesteigert.
    Als er die Flucht des alten Mannes vernahm, kannte seine Wut keine Grenzen; er knirschte mit den Zähnen vor Ingrimm, zerraufte sich das Haar und stieß schreckliche Flüche gegen die Männer aus, die mit der Verhaftung beauftragt waren. Nur die wiederholte Versicherung, daß man des Flüchtlings gewiß habhaft werden würde, beruhigte ihn einigermaßen. Nach allen Richtungen wurden Spione ausgesandt, alle mögliche List wurde angewandt, um seinen Zufluchtsort zu entdecken; aber es war alles vergeblich. Ein halbes Jahr verfloß, und er war immer noch nicht aufgefunden.
    Endlich erschien Heyling eines Abends spät, nachdem man ihn seit mehreren Wochen nicht mehr gesehen hatte, in der Privatwohnung seines Anwalts und ließ ihm sagen, ein Herr wünsche ihn augenblicklich zu sprechen. Noch ehe der Anwalt, der ihn von oben an der Stimme erkannt hatte, seinem Diener bestellen konnte, ihn herauszuführen, war der Klient schon oben an der Treppe und drang blaß und atemlos ins Besuchszimmer. Er schloß die Tür, um von niemand gehört zu werden, sank in einen Armstuhl und sagte mit leiser Stimme –
    »Pst, ich habe ihn endlich gefunden.‹
    »Was Sie sagen«, erwiderte der Anwalt. – »Das ist schön, Verehrtester, sehr schön.«
    »Er hält sich in einer erbärmlichen Wohnung in Lamden-Town versteckt«, sagte Heyling – »es ist vielleicht ebensogut, daß wir ihn aus den Augen verloren, denn er hat dort die ganze Zeit über im größten Elend gelebt, und er ist arm – sehr arm.«
    »Sehr gut‹, erwiderte der Anwalt – »Sie wünschen natürlich, daß die Verhaftung morgen früh vorgenommen werde?«
    »Ja«, versetzte Heyling: »doch halten Sie! Nein, erst

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