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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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übermorgen. Sie erstaunen, daß ich sie verschieben will«, setzte er mit schrecklichem Lächeln hinzu, »aber ich hatte es vergessen. Übermorgen feiert er seinen Jahrestag: wir wollen ihn dann festnehmen.« »Auch gut«, antwortete der Anwalt. »Wollen Sie die Instruktion für den Gerichtsboten niederschreiben?«
    »Nein, er soll herkommen, abends acht Uhr ich will ihn dann begleiten.«
    Sie kamen am bestimmten Abend zusammen, setzten sich in eine Mietkutsche und ließen an der Ecke der alten Pancrasstraße halten, wo das Arbeitshaus des Kirchspiels steht. Es war schon ganz dunkel geworden, als sie dort ausstiegen. Nachdem sie an der düstern Mauer, die sich am Veterinärhospital hinaufzieht, hingegangen waren, traten sie in eine kleine Nebenstraße, die Little College Street genannt wird, oder wenigstens damals so genannt wurde, und die, wie sie auch jetzt beschaffen sein mag, in jenen Tagen still und einsam genug war, da sie fast nichts anderes als Moorgrund und Sümpfe in ihrer Umgebung hatte.
    Nachdem Heyling die Reisemütze, die sein Haupt bedeckte, halb über das Gesicht heruntergezogen und sich in seinen Mantel gehüllt hatte, blieb er vor dem erbärmlichsten Häuschen der ganzen Straße stehen, und pochte leise an die Tür. Sie ward augenblicklich von einer alten Frau geöffnet, die sich höflich vor dem Ankömmling verbeugte, und durch ihre Miene zu verstehen gab, daß sie ihn erkannte. Heyling flüsterte dem Gerichtsboten zu, er möchte unten zurückbleiben, schlich leise die Treppe hinauf und trat rasch in das Vorderzimmer.
    Das Opfer seiner Nachforschungen und seines unversöhnlichen Hasses, jetzt ein abgelebter Greis, saß vor einem nackten, tannenen Tische, auf dem ein elendes Talglicht brannte. Er schrak beim Eintritt des Fremden zusammen und stand zitternd von seinem Sitze auf.
    »Was gibt es wieder – was gibt es wieder?« rief der Alte – »was für ein neues Elend kommt über mich? Was bringen Sie mir?«
    »Ein Wort mit Ihnen «, erwiderte Heyling; und während er sprach, setzte er sich an das andere Ende des Tisches, und Mantel und Kappe zurückschlagend, enthüllte er sein Gesicht. Der alte Mann schien plötzlich der Sprache beraubt, er fiel rücklings auf seinen Stuhl, und die Hände zusammenschlagend, starrte er mit dem Blicke des Entsetzens und der Furcht auf die Erscheinung.
    »Heute sind es sechs Jahre«, sagte Heyling, »daß ich Ansprüche habe auf das Leben, das Sie mir für das meines Kindes schulden. Vor der leblosen Hülle Ihrer Tochter, alter Mann, schwur ich, von nun an nur der Rache zu leben. Nie habe ich, auch nur auf einen Augenblick, meinen Zweck aus den Augen verloren; denn wenn es der Fall gewesen wäre, so würde mir ein einziger Gedanke an ihren leidenden Blick der Ergebung, als sie dahinschied, oder an das sterbende Antlitz unseres unschuldigen Kindes meine Aufgabe ins Gedächtnis gerufen haben. Meiner ersten Handlung der Vergeltung werden Sie sich erinnern; dies ist meine letzte.«
    Der alte Mann schauerte zusammen und seine Hände fielen kraftlos an seiner Seite nieder.
    »Morgen verlasse ich England«, fuhr Heyling nach einer kurzen Pause fort. – »Heute nacht noch übergebe ich Sie dem lebendigen Tode, dem Sie sie geopfert haben – einem hoffnungslosen Gefängnis.« –
    Er sah dem alten Manne ins Antlitz und schwieg: dann hielt er ihm das Licht vors Gesicht, stellte es sachte wieder nieder und verließ das Zimmer.
    »Es wäre gut, wenn Sie nach dem alten Manne sehen würden«, sagte er zu der Frau, als er die Tür öffnete und dem Gerichtsboten winkte, ihm auf die Straße zu folgen – »Ich glaube, es ist ihm nicht wohl.«
    Die Frau verschloß die Tür, eilte hastig die Treppe hinauf und fand ihn entseelt. Der Schlag hatte ihn getötet.
    Unter einem einfachen Grabstein auf einem der stillsten und abgelegensten Kirchhöfe in Kent, wo wilde Blumen durch das Gras schimmern und die liebliche Landschaft der Umgegend die schönste Stelle im Garten England bildet, ruhen die Gebeine der jungen Mutter und ihres holden Kindes. Aber die Asche des Vaters mischt sich nicht mit der ihrigen; und von jener Nacht an erhielt der Anwalt auch nicht mehr den entferntesten Aufschluß über das weitere Schicksal seines seltsamen Klienten.«
    Als der Alte seine Erzählung beendigt hatte, trat er an einen hölzernen Nagel in einer Ecke des Zimmers, nahm Hut und Überrock und schritt, ohne weiter ein Wort zu sagen, langsam hinaus. Da der Herr mit den Mosaikknöpfen eingeschlafen und der

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