Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
war, daß dem Gecken eben jetzt eine dunkle Erinnerung von seiner vergessenen Geschichte aufzudämmern begann.
»Nein, man kann es sich nicht gefallen lassen«, sagte er, um sich blickend: »das ist wahrhaftig zu arg.«
»Ja, unausstehlich«, erwiderte Jack Hopkins; »wir wollen wenigstens noch einen Vers singen, Bob, kommen Sie!«
»Nein, nein, Jack«, fiel Bob Sawyer ein. »Das Lied ist zwar vortrefflich; allein ich denke, es wäre besser, den Vers nicht mehr zu singen. Die Leute im Hause da sind sehr grob.«
»Soll ich einmal hinaufgehen und mit dem Hausherrn anbinden?« fragte Hopkins; »oder soll ich tüchtig schellen, mich auf die Treppe stellen und zu brüllen anfangen? Sie haben nur zu befehlen, Bob.«
»Ich danke Ihnen sehr für Ihren guten Willen und Ihre Freundschaft, Hopkins«, sagte Bob Sawyer kläglich, »allein um weiteren Zank zu vermeiden, halte ich’s fürs beste, wenn wir sogleich auseinandergehen.«
»Nun, Herr Sawyer«, keifte die gellende Stimme der Frau Raddle abermals, »wann gehen denn diese Herren endlich?«
»Sie sehen bloß nach ihren Hüten, Frau Raddle«, entgegnete Bob, »und werden dann gleich gehen.«
»Gehen?« rief Frau Raddle, ihre Nachthaube hinaufdrückend, als Herr Pickwick, gefolgt von Herrn Tupman, ans einmal vor ihren Blicken auftauchte. »Gehen? Was hatten Sie überhaupt hier zu suchen?«
»Meine teure Madame«, beschwichtigte Herr Pickwick aufblickend.
»Scheren Sie sich zum Teufel, Sie alter Spitzbube«, erwiderte Frau Raddle, ihre Nachthaube schnell wieder herabzupfend. »Alt genug, um sein Großvater sein zu können, Sie garstiger Mensch, Sie! Sie sind der schlimmste von ihnen allen,«
Herr Pickwick hielt es für vergebliche Mühe, seine Unschuld zu beteuern, und rannte die Treppe hinab auf die Straße, wohin ihm die Herren Tupman, Winkle und Snodgraß auf dem Fuße folgten. Herr Ben Allen, den das Trinkgelage und die verschiedenen Auftritte gewaltig angegriffen hatten, begleitete sie bis zur Londoner Brücke und vertraute unterwegs Herrn Winkle, als einem Mann von ausgezeichneter Schweigsamkeit, an, daß er entschlossen sei, außer Herrn Bob Sawyer jeden, der es wagen würde, sich um die Neigung seiner Schwester Arabella zu bewerben, die Kehle abzuschneiden. Nachdem er seine Entschlossenheit, diese peinliche Bruderpflicht zu erfüllen, noch auf angemessene Weise bekräftigt hatte, brach er in Tränen aus, schlug seinen Hut bis über die Augen herab, und indem er so gut wie möglich seinen Heimweg suchte, klopfte er zu wiederholten Malen an dem Tor von Borough Market an; schlummerte abwechselnd hier und da auf den Treppen bis Tagesanbruch, in der festen Meinung, er wohne hier und habe nur seinen Schlüssel vergessen.
Als nun die Gäste auf die dringende Aufforderung der Frau Raddle sich alle entfernt hatten, blieb der unglückliche Bob Sawyer allein zurück und dachte noch lange über die wahrscheinlichen Ereignisse des morgigen Tages, sowie über die Vergnügungen des Abends nach.
Vierunddreißigstes Kapitel
Herr Weller, der Ältere, teilt einige kritische Bemerkungen über ein literarisches Produkt mit, und übt mit Hilfe seines Sohnes Samuel eine kleine Wiedervergeltung an dem hochwürdigen Herrn mit der roten Nase
Am Morgen des 13. Februar, welcher Tag, wie die Leser dieser wahrhaftigen Erzählung so gut wie wir selbst wissen, dem unmittelbar voranging, an dem der Prozeß der Frau Bardell verhandelt werden sollte, hatte Herr Samuel Weller alle Hände voll zu tun. Er mußte nämlich unaufhörlich von morgens neun Uhr bis mittags zwei Uhr von dem Georg und Geier nach der Wohnung des Herrn Perker und wieder zurück gehen. Nicht als ob er etwas von besonderer Wichtigkeit zu erledigen gehabt hätte: denn die Beratung hatte bereits stattgefunden und alle zu nehmenden Maßregeln waren verabredet. Aber Herr Pickwick befand sich in äußerster Unruhe und schrieb seinem Anwalt unaufhörlich kleine Billetts, in denen bloß die Frage stand: »Lieber Perker, steht alles gut?« worauf Herr Perker einmal wie das andere unverändert erwiderte: »Lieber Pickwick, so gut wie möglich.« Übrigens konnte man, wie wir bereits angedeutet, noch nichts, weder Gutes noch Schlimmes sagen, bis die Sitzung des Gerichtshofs am folgenden Morgen vorüber war.
Aber freilich dürfen Leute, die nicht gern Prozesse führen oder dazu gezwungen werden, das erste Mal wohl etwas aufgeregt und ängstlich sein. Sam erfüllte mit allen gebührenden Rücksichten für die Schwachheiten
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