Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
labte.
»Wie?« rief Herr Pickwick, ganz erschrocken über diese Entdeckung: »Verstehe ich recht? Erwerben diese Leute wirklich dadurch ihren Lebensunterhalt, daß sie hier herumliegen und vor den Richtern des Landes Meineide schwören? Für eine halbe Krone ein Verbrechen?!«
»Meineid müssen Sie e» nicht gerade nennen, lieber Herr«, erwiderte der kleine Gentleman; »dieser Ausdruck ist wahrhaftig viel zu hart. Es ist eine Rechtsfiktion, mein lieber Herr, weiter nichts.«
Dabei zuckte das Anwältchen die Achseln, lächelte, nahm eine zweite Prise und ging voraus in das Gerichtszimmer.
Dies war ein Gemach von besonders schmutzigem Aussehen, mit einer sehr niedrigen Decke und alten in Vierecke geteilten Wänden. Dabei war es so finster, daß man bei hellem Tag auf den Schreibtischen große Talglichter brannte. An einem Ende war eine Tür, die in das Privatzimmer des Richters führte, um das sich eine Menge von Anwälten und Schreibern drängte, die hereingerufen wurden, sobald die Reihe des Dienstes an ihnen war. So oft diese Tür sich öffnete, um eine Partei hinauszulassen, machte eine nächste Parte! gewaltsame Versuche, hineinzudringen, und außer den zahlreichen Zwiegesprächen zwischen den Gentlemen, die auf den Anblick des Richters harrten, erhoben sich unter der Mehrzahl derer, die ihn bereits gesehen, allerhand persönliche Zwistigkeiten, so daß man sich in einem so kleinen Zimmer kaum ein betäubenderes Getöse denken kann.
Indessen waren die Unterhaltungen dieser Herren nicht die einzigen Töne, die das Ohr zerrissen. In einer Loge hinter einer hölzernen Schranke am andern Ende des Zimmers stand ein Schreiber mit der Brille auf der Nase, der die Advokatenschreiber schwören ließ und die Protokolle darüber haufenweise von Zeit zu Zeit dem Richter zur Unterzeichnung in sein Privatzimmer schickte. Eine Menge Advokatenschreiber wollten beeidigt werden, und da es rein unmöglich war, diesen Akt mit allen zugleich vorzunehmen, so gab es an der Schranke des bebrillten Herrn ein Stoßen und Drangen, wie manchmal am Eingang des Theaters, wenn Ihre Gnädigste Majestät dasselbe mit Höchst Ihrer Gegenwart beehrt. Ein anderer Mann von der Feder übte seine Lunge von Zeit zu Zeit damit, daß er die Namen der Beeidigten laut ausrief, um ihnen vom Richter unterzeichnete Atteste zurückzustellen, was natürlich wieder zu mehrfachen Püffen und Stößen Veranlassung gab. Da das alles zu gleicher Zeit geschah, so herrschte ein Durcheinander und Getöse, für dessen Lieblichkeit wir nicht jedermann Sinn und Empfänglichkeit zutrauen möchten. Es war schließlich noch eine andere Sorte von Leuten da, solche, die auf das Aufgerufenwerden ihrer Klienten warteten, wobei der Anwalt der Gegenpartei die Wahl hatte, solange zu bleiben oder nicht, und solche, die von Zeit zu Zeit den Namen des Gegenadvokaten ausrufen mußten, um sich zu vergewissern, daß er nicht ohne ihr Wissen vor Gericht stand.
Zum Beispiel: dicht neben Herrn Pickwicks Sitz lehnte sich ein vierzehnjähriger Bursche mit einer Tenorstimme an die Wand und neben ihm stand ein Schreiber mit einem tiefen Baß.
Ein anderer Schreiber huschte mit einem Pack Papiere herein und stierte umher.
»Sniggle und Blink!« rief der Tenor.
»Porkin und Snob!« brummte der Baß.
»Stumpy und Deacon!« sagte der neue Ankömmling.
Niemand antwortete, und der nächste Mann, der kam, wurde von allen Dreien begrüßt, worauf dieser laut nach einem andern schrie; dann brüllte sonst eine Stimme wieder nach einem noch andern und so ging es fort.
Die ganze Zeit über war der Mann mit der Brille fortwährend beschäftigt, die Schreiber zu beeidigen. Er tat dies ohne alle Abwechslung in der Betonung und leierte dem einen wie den andern den üblichen Eid vor, der folgendermaßen lautete:
»Nehmen Sie das Buch in die rechte Hand dies ist Ihr Name und Handschrift Sie schwören daß der Inhalt dieses Ihres Zeugnisses wahr ist so helfe Ihnen Gott Sie müssen einen Schilling bezahlen herausgeben kann ich nicht.«
»Nun, Sam«, sagte Herr Pickwick, »ich dächte, das Habeas Corpus könnte jetzt fertig sein.«
»Ja«, sagte Sam, »und ich wollte, man brächte seinen Korpus einmal heraus. Es ist eine sehr unangenehme Sache um das lange Warten da. Ich hätte in dieser Zeit ein halbes Dutzend solcher Korpus fertig gemacht und damit aufgepackt.«
Für was für eine beschwerliche und unbrauchbare Maschine Sam Weller die Ausstellung eines Habeas corpus hielt, wird nicht ganz klar,
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