Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
dieser Bursche da?«
»Was weiß ich?« sagte Herr Mivins, schläfrig unter der Decke hervorsehend. »Darum muß ich Sie fragen. Hat er hier etwas zu tun?«
»Nein«, erwiderte Herr Smangle.
»So werfen Sie ihn die Treppe hinab und sagen Sie ihm, er solle sich nicht einfallen lassen, wieder heraufzukommen; denn sonst werde ich ihn windelweich schlagen«, erwiderte Herr Mivins.
Und mit diesem guten Rat fing der vortreffliche Gentleman aufs neue an einzuschlummern.
Da das Gespräch solche recht persönliche Wendung genommen hatte, hielt es Herr Pickwick für Zeit, sich ins Mittel zu legen.
»Sam«, sagte er.
»Sir«, erwiderte dieser Gentleman,
»Ist seit gestern abend nichts Neues vorgefallen?«
»Nichts Besonderes, Sir«, erwiderte Sam mit einem Blick auf Herrn Smangles Schnurrbart. »Das Vorherrschen einer abgeschlossenen, dicken Luft ist dem Wachstum des Unkrauts auf eine beunruhigende und drohende Art günstig gewesen; sonst aber ist allein Ordnung.«
»Ich will aufstehen«, sagte Herr Pickwick. »Gib mir die Wäsche.«
Was für feindliche Absichten Herr Smangle auch gehegt haben mochte, seine Gedanken erhielten schnell eine ganz andere Richtung durch das Auspacken des Koffers, dessen Inhalt ihn auf einmal mit einer höchst günstigen Meinung nicht bloß von Herrn Pickwick, sondern auch von Sam zu erfüllen schien. Daher begann er laut genug, um von diesem außerordentlichen Mann gehört zu werden, Herrn Weller für ein wahrhaft vollkommenes Original und ganz für den Mann nach seinem Herzen zu erklären. Was Herrn Pickwick betrifft, so kannte die Neigung, die er für ihn empfand, keine Grenzen.
»Kann ich Ihnen in etwas dienen, mein teurer Sir?« fragte Herr Smangle.
»Wüßte nicht; danke bestens«, erwiderte Herr Pickwick.
»Haben Sie nichts der Wäscherin zu schicken? Ich kenne eine herrliche Wäscherin, nicht weit von da, die zweimal in der Woche zu mir kommt und – beim Teufel, wie schön sich das trifft! – heute ist gerade ihr Tag. Soll ich etwas von Ihren Sachen zu den meinen nehmen? Es macht mir ja durchaus keine Mühe. Der Henker soll mich holen, was müßte man von der menschlichen Natur denken, wenn nicht ein Gentleman in Bedrängnis einem andern Gentleman, der in derselben Lage ist, aushelfen wollte?«
So sprechend rückte Herr Smangle so nahe wie möglich an den Koffer, und seine Blicke strahlten die glühendste, uneigennützigste Freundschaft.
»Haben Sie nicht vielleicht etwas zum Ausbürsten für den Aufwärter?« fuhr Smangle fort.
»Ganz und gar nichts, mein Wertester«, erwiderte Sam, für seinen Herrn antwortend. »Vielleicht würde es angenehmer für alle Teile sein, wenn einer von uns das Bürsten übernähme, ohne den Mann zu bemühen, wie der Schulmeister sagte, als die jungen Gentlemen sich nicht vom Büttel durchprügeln lassen wollten.«
»Haben Sie denn gar nichts, das ich in meinem Köfferchen der Wäscherin schicken könnte?« fragte Smangle, indem er sich etwas entmutigt von Sam zu Herrn Pickwick wandte.
»Nicht das Mindeste, Sir«, antwortete Sam abermals. »Ich fürchte, der kleine Koffer dürfte von Ihren eigenen Sachen schon übervoll sein.«
Diese Worte begleitete ein besonderer Blick auf Herrn Smangles Anzug, nach dem man die Geschicklichkeit einer Wäscherin beurteilen konnte. So drehte dieser sich um und gab wenigstens für den Augenblick alle Absichten auf Herrn Pickwicks Portemonnaie und Garderobe auf. Grimmig begab er sich zum Ballplatz, wo er als leichtes und gesundes Frühstück ein Paar von den in der letzten Nacht gekauften Zigarren rauchte.
Herr Mivins, der kein Raucher war, und für den kein Kaufmann mehr eine Feder, kein Wirt eine Kreide anrührte, blieb im Bett und »schlief zum Frühstück«, wie er sich ausdrückte.
Herr Pickwick nahm in einem kleinen Stübchen neben der Restauration, das den imponierenden Namen »Heimlicher Winkel« führte, das Frühstück. Jeder augenblickliche Gast in diesem »Heimlichen Winkel« genoß hier gegen eine kleine Vergütung den unschätzbaren Vorteil, die ganze Unterhaltung in der Restauration anzuhören. Herr Pickwick schickte dann Herrn Weller mit einigen notwendigen Aufträgen fort und ging auf sein Zimmer zurück, um sich nun mit Herrn Roker wegen seiner künftigen Einrichtung zu besprechen.
»Einrichtung? So, so!« sagte dieser Gentleman, ein großes Buch zu Rate ziehend. »Einrichtung und Bequemlichkeit genug, Herr Pickwick, Ihr Gesellschaftsbillett lautet Nummer 27 im dritten Stock.«
»Wie? Was
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