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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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dies der Fall, so hätte die Sache durchaus nichts Besonderes an sich, und das Auffallende würde im Augenblick verschwinden. Einige schlafen den größeren Teil der Sitzung hindurch, andere führen kleine, tragbare Mittagsmahle bei sich, die entweder in Taschentücher eingewickelt sind oder aus ihren abgenutzten Taschen hervorsehen, und kauen und horchen mit gleicher Lust. Aber noch keinen hat man gesehen, der auch nur das entfernteste persönliche Interesse an einem Falle gehabt hätte, der je vorgebracht wurde. Was sie auch immer tun, hier sitzen sie vom ersten Augenblick bis zum letzten. Bei starkem Regenwetter kommen sie ganz durchnäßt, und dann dunstet es im Gerichtssaale wie in einer Pilzgrube.
    Wer zufälligerweise hineinkommt, könnte diesen Ort für einen dem Genius des Schmutzes geheiligten Tempel halten. Im ganzen Hause sieht man keinen dazugehörigen Gerichtsboten, der einen ihm auf den Leib gemachten Rock trüge, kein Gesicht, das auch nur einen Anstrich von Lebensfrische und Gesundheit hätte, außer einem kleinen rotbackigen Gerichtsdiener mit weißen Haaren, und sogar dieser scheint wie eine wurmdurchnagte Kirsche, die in Weingeist aufbewahrt wird, das gute Aussehen, auf das er von Natur keinen Anspruch hatte, der Hand der Kunst zu verdanken, die ihn trocknete und dörrte. Selbst die Advokatenperücken sind schlecht gepudert, und ihre Locken schmachten nach dem Haarkräusler.
    Doch die Anwälte, die an einem großen nackten Tische unter den Kommissaren sitzen, sind die merkwürdigsten Persönlichkeiten. Die gewerbliche Ausstattung der wohlhabenderen dieser Herren besteht in einem blauen Beutel und einem Jungen, der gewöhnlich dem Glauben der Hebräer zugetan ist. Sie haben keine bestimmten Schreibstuben; denn ihre Rechtsgeschäfte werden in den Wirtshäusern und in den Gefängnishöfen abgehandelt, in die sie sich scharenweise eindringen, und wo sie sich so aufdringlich wie die Omnibusjungen nach Kunden umsehen. Ihr Äußeres ist schmutzig und mit Staub bedeckt, und wenn ihnen überhaupt Laster zugeschrieben werden können, so ist vielleicht der Hang zum Trinken und Betrügen das hervorragendste unter denselben. Ihre Wohnungen haben sie meistens in den Vorstädten der sogenannten Rules, die hauptsächlich im Umkreise von einer Meile um den Obelisk in St. Georg Fields herumliegen. Ihre Gesichter sind nicht einnehmend und ihre Manieren recht sonderbar.
    Herr Salomo Pell, einer von dieser gelehrten Körperschaft, war ein fetter Mann mit einem blassen, welken Gesicht und trug einen Überrock, der in einem Augenblicke grün und im nächsten braun aussah, mit einem Samtkragen von denselben Chamäleonsfarben. Seine Stirn war schmal, sein Gesicht breit, sein Kopf groß und seine Nase auf die Seite gedrückt, als hätte ihr die Natur im Ärger über die Neigungen, die sie bei seiner Geburt an ihm entdeckte, einen Hieb versetzt, von dem sich besagte Nase nicht wieder erholen konnte. Da Herr Pell jedoch kurzhalsig und engbrüstig war, so beschränkte sich sein Atemholen beinahe einzig auf dieses Organ, das dadurch an Nützlichkeit ersetzte, was ihm an Schönheit abging.
    »Ich versichere Sie, ich führe es durch«, sagte Herr Pell.
    »Meinen Sie?« versetzte die Person, an die diese Versicherung gerichtet war.
    »Ich bin fest überzeugt«, erwiderte Pell; »aber wenn er an irgendeinen Winkeladvokaten geraten wäre, so hätte ich nicht für die Folgen stehen mögen.«
    »So?« rief der andere mit offenem Munde aus.
    »Ja, ich hätte nicht dafür stehen mögen«, wiederholte Herr Pell, und warf die Lippen auf, runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf mit geheimnisvoller Miene.
    Der Ort, an dem dieses Gespräch geführt wurde, war das Wirtshaus, das dem Zahlungsunfähigkeits-Gerichtshofe gegenüber steht, und die Person, mit der es geführt wurde, niemand anders, als der ältere Herr Weller, der hierhergekommen war, um einem Freunde Trost und Stärkung zu bringen, dessen Liquidationsprozeß an diesem Tage verhandelt werden sollte, und dessen Anwalt er in diesem Augenblick um seine Meinung befragte.
    »Und wo ist Georg«, fragte der alte Herr.
    Herr Pell winkte mit dem Kopfe nach einem Hinterzimmer, in das sich Herr Weller alsbald begab und zur Beglückwünschung von einem halben Dutzend Kollegen aufs wärmste und schmeichelhafteste begrüßt wurde. Der zahlungsverlegene Herr, der eine zwar berechnende aber trotzdem unkluge Leidenschaft für lange Verbindlichkeiten gefaßt hatte, die ihn in seine

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