Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
gegenwärtige Verlegenheit versetzte, sah äußerst heiter aus und bekämpfte die Aufregung seiner Gefühle mit Krabben und Porter.
Die Begrüßung zwischen Herrn Weller und seinen Freunden hielt sich ganz in den Schranken der Gewerbsfreimaurerei und bestand nur in einem die Runde machenden Händedrücken und einem gleichzeitigen Schnalzen mit dem kleinen Finger der Linken. Wir kannten einmal zwei berühmte Kutscher (sie sind jetzt tot, die armen Kerle), die Zwillinge waren, und zwischen denen eine ungeheuchelte und innige Zuneigung bestand. Sie kamen seit zwanzig Jahren jeden Tag auf der Dowerstraße aneinander vorüber und wechselten nie einen andern Gruß als diesen; und doch, als der eine starb, welkte der andere dahin und folgte ihm bald nach.
»Nun, Georg«, sagte Herr Weller senior , seinen Oberrock aufnehmend und sich mit der gewohnten Würde niedersetzend. »Wie steht’s? Alles in Ordnung hinten, und innen voll?«
»Alles in Ordnung, alter Kamerad«, erwiderte der Zahlungsverlegene.
»Ist die graue Stute jemandem in Pflege gegeben?« fragte Herr Weller mit ängstlicher Neugier.
Georg nickte bejahend.
»Nun, das ist alles recht«, sagte Herr Weller. »Die Kutsche auch wohl aufgehoben?«
»In einen sicheren Verwahrungsort gebracht«, versetzte Georg, einem Halbdutzend Krabben die Köpfe abreißend und sie ohne weitere Umstände verschlingend.
»Ganz gut, ganz gut«, bemerkte Herr Weller. »Nur immer rückwärts gesehen, wenn’s bergab geht. Ist der Wegzettel deutlich und geradeaus?«
»Der Schein, Sir«, sagte Pell, erratend, was Herr Weller sagen wollte, «der Schein ist so klar und bestimmt, als ihn nur Tinte und Feder machen können.«
Herr Weller nickte billigend und sagte dann, auf seinen Freund Georg deutend, zu Herrn Pell:
»Wann glauben Sie wohl, daß er sich zur Verhandlung in Gang setzen darf?«
»Nun«, versetzte Herr Pell, »er ist der dritte auf der Liste, und ich glaube, es wird ungefähr in einer halben Stunde an ihm die Reihe sein. Ich gab meinem Schreiber die Weisung, er solle herüberkommen und melden, wann ein Parteiwechsel vorkomme.«
Herr Weller betrachtete den Anwalt von Kopf bis zu Fuß mit großer Bewunderung und sagte dann mit Emphase –
»Und was wollen Sie trinken, Sir?«
»Nun, wirklich«, erwiderte Herr Pell, »Sie sind sehr – – auf meine Ehre, es ist nicht meine Gewohnheit, des – – es ist noch so früh am Tage, daß ich wirklich beinahe – – doch, Sie können mir für drei Pence Rum bringen, meine Liebe.«
Die Kellnerin, die dem Befehl bereits zuvorgekommen war, setzte Herrn Pell ein Glas Branntwein vor und entfernte sich.
»Meine Herren«, sagte Herr Pell, sich rings in der Gesellschaft umsehend; »auf gut Glück für Ihren Freund! Ich will mich nicht rühmen, meine Herren; das ist nicht meine Sache; aber ich muß bemerken, daß, wenn Ihr Freund nicht so glücklich gewesen wäre, in Hände zu fallen, die – – doch ich will still sein. Meine Herren, auf Ihre Gesundheit!«
Herr Pell leerte sein Glas in einem Augenblick, schnalzte dann mit den Lippen und sah die versammelten Kutscher, die offenbar eine Art göttlichen Wesens in ihm erblickten, nacheinander mit großer Selbstgefälligkeit an.
»Nun, laßt uns sehen«, sagte die juristische Autorität, – »was wollte ich sagen, mein« Herren?«
»Ich glaube. Sie bemerkten, daß Sie gegen ein zweites vom Gleichen nichts einzuwenden wüßten, Sir?« antwortete Herr Weller mit würdevoller Heiterkeit.
»Ha, ha!« lachte Herr Pell. »Nicht übel, nicht übel. Versteht sein Fach, der Mann. Um diese Morgenstunde könnte es auch nicht schaden – –. Nun, ich weiß nicht, meine Liebe – – Sie können es ja wiederholen, wenn es Ihnen recht ist. Hem!«
Es folgte ein feierliches und würdevolles Husten, das Herr Pell glaubte verlautbaren zu müssen; denn er sah einige Zuhörer recht unziemlich schmunzeln.
»Der letzte Lordkanzler, meine Herren, hielt große Stücke auf mich«, sagte Herr Pell.
»Und vertraute ihm auch sehr viel an«, fiel Herr Weller ein.
»Hört, hört«, rief Herrn Pells Klient aus. »Und warum sollte er das nicht?«
»Ja – in der Tat!« bemerkte ein Mann mit einem hochroten Gesicht, der bis jetzt noch nichts gesagt hatte und gar nicht danach aussah, als wollte er mehr sagen. »Warum sollte er nicht?«
Ein Beifallsgemurmel lief durch die Gesellschaft.
»Ich erinnere mich, meine Herren«, sagte Herr Pell, »daß ich einmal bei ihm zu Mittag speiste; – wir waren nur unser
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