Delta Operator (German Edition)
Italien
09. Jänner 2017
13:40 Ortszeit
Die bereits im 12. Jahrhundert urkundlich erwähnte Pfarrkirche Zum Heiligen Martin gab dem Dorf seinen Namen. Sie erhob sich stolz im Ortszentrum der kleinen Gemeinde Sankt Martin, die etwa sechzehn Kilometer nördlich von Meran im idyllischen Passeiertal lag. Der untere Teil des Turmes stammte aus dieser romanischen Epoche. Im 17.Jahrhundert wurde die Kirche ausgebaut und auch der Turm wurde mit einem Zwiebeldach versehen. Im 18.Jahrhundert wurden vier Barockaltäre und eine Kanzel von der örtlichen Malerschule errichtet. Diverse alte Gemälde und sonstige Kunstwerke rundeten das Bild ab. Die kleine Pfarrkirche war außerdem ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen und Liebhaber alter Architektur.
Der Messner der kleinen Kirche, ein Mittfünfziger mit tr aditionellem Vollbart und die ebenfalls anwesende Putzfrau, die sich gerade mit dem Staub unter den hinteren Bankreihen beschäftigte, konnten das riesige Flugzeug nicht sehen, dass keinen halben Kilometer oberhalb des Dorfes aus der Wolkendecke brach und im Wirbel des schweren Schneefalls weiter in die Tiefe schoss. Der Rumpf der Air Force One hatte eine der beiden Tragflächen komplett, sowie die Spitze der zweiten Tragfläche und auch das Cockpit beim Auseinanderbrechen verloren und näherte sich um die eigene Achse rotierend unaufhaltsam seinem Ziel. Um neunzehn Minuten vor zwei Uhr nachmittags bohrte sich der kopflose Torso des schweren Jets durch das Dach des Kirchenschiffes um Sekundenbruchteile später am harten Steinboden der Kirche aufzuprallen.
Die Schockwelle des Aufpralls fällte den Turm, blies den Messner, die Putzfrau und die dicken Mauern des Kirche nschiffes wie Papier zur Seite und ließ im Umkreis von einhundert Metern einen Großteil der Fenster zerspringen. Das Kerosin im Flügelstumpf entzündete sich und blies eine zweite Schockwelle ins Freie, die fast zeitgleich mit der ersten Welle verheerenden Schaden anrichtete. Beinahe gleichzeitig stand ein Großteil des Ortskernes in Flammen, als sich Tonnen von brennendem Kerosin wuchtig verteilten. Der beißende Rauch des wütenden Feuers mischte sich mit den dichten Schneeflocken und dem orangen Lodern der rasenden Feuersbrunst zu einer Szenerie des Schreckens.
Es dauerte beinahe zehn Minuten, bis Überlebende des I nfernos die Sirene der Feuerwehr betätigen und somit Alarm auslösen konnten. Das Feuer wütete unaufhörlich weiter und machte sich daran, das alte Ortszentrum von der Landkarte zu tilgen.
Ötztal. Tirol, Österreich
09.Jänner 2017
14:04 Ortszeit
Stefan Berger stand am höchsten Punkt des tief verschneiten Grates und sah träumerisch in die Tiefe. Sein Atem kristallisierte wenige Zentimeter vor dem Gesicht in der eiskalten Gebirgsluft, die Temperatur musste erheblich unter Null liegen. Es schneite jetzt wieder leicht, die Wolkenbank die er zuvor gesehen hatte, hatte nur kurz dichteren Schneefall gebracht. Er hatte keine Probleme, die nächste Liftstation etwa einen Kilometer talwärts zu erkennen. Als er sich umdrehte und nach Süden blickte, erkannte er tiefdunkle Wolkenbänke, die weiteren Schnee bringen würden. Es war also Zeit, den Grat hinunter zu wedeln und dann ins Tal abzufahren, bevor der Schneefall endgültig zu dicht wurde. Er war nun ohnehin beinahe allein auf weiter Flur, kaum jemand trieb sich mehr auf den Pisten rum. Es war einfach zu kalt und ungemütlich.
Berger genoss noch einmal die Aussicht rundum auf die verschneiten Dreitausender, dann setzte er seine Schibrille auf. Die Gläser waren beschlagen, weshalb er die Brille wieder a bnahm, die Gläser anhauchte und mit einem Taschentuch reinigte. Er hob die Brille und begutachtete sein Werk, als er durch das getönte Glas in den Wolken etwas entdeckte. Berger ließ die Brille sinken und sah genauer hin. Jetzt konnte er es ganz klar sehen.
„Was zum Teufel…“ Berger blinzelte, doch das Ding war immer noch da, schwebte langsam aus den Wolken. Berger erkannte ein zigarrenförmiges Gebilde, das an roten oder du nkelorangen Fallschirmen baumelte und vom leichten Wind bergwärts getrieben wurde. Berger schätzte Kurs und Geschwindigkeit des Objektes ein und kam zu dem wenig erfreulichen Schluss, dass der Aufprallort sehr nahe an dem kleinen Gebirgssee sein würde, der eingeschlossen von drei Bergkämmen etwa dreihundert Meter unterhalb Bergers jetziger Position zugefroren in seinem Winterschlaf dalag. Die weiße ebene Fläche des Karsees
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