Dem Feuer ergeben
Sie lag in einem Bett, aber sie erkannte sofort, dass sie sich nicht in ihrer Wohnung befand. Doch wo war sie? Ihre übernatürlichen Sinne verrieten ihr, dass sich gut ein Dutzend Vampire auf dieser Etage aufhielten. Die zwei Männer vor ihrer Tür hatte sie schon mit eingerechnet. War es möglich, dass sie das Hexenfeuer tatsächlich überlebt hatte? Nein, das konnte nicht sein. Noch nie war so etwas vorgekommen. Hatte man sich erst einmal mit dem Blauen Fluch infiziert, war das Schicksal besiegelt. Es gab kein Entkommen.
Vielleicht war aber auch alles nur ein Traum gewesen. Dieser Gedanke kam ihr, als sie sich langsam aufrichtete. Ihr Kopf pochte fürchterlich, als hätte sie vergangene Nacht einen über den Durst getrunken. Hatte sie das? Hatte der Alkohol ihr diesen entsetzlichen Albtraum beschert?
>Na du Schlafmütze. Endlich wach?
Neben ihr richtete sich jemand auf. Erschrocken zuckte Lilia zurück. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie nicht allein gewesen war.
Sie hatte Angst. Zudem brachten die entsetzlichen Kopfschmerzen, die aufgrund des Schrecks und dem plötzlichen Kopfdrehen hervorgerufen worden waren, sie fast um den Verstand. Ihr Nacken war völlig steif und als sie die ersten Worte sprach, fühlte es sich an, als hätte sie Fell auf der Zunge.
>Wo bin ich?
>Es ist alles okay. Du bist in Sicherheit.
Die Stimme war ihr vertraut, aber sie schaffte es noch nicht sie einzuordnen.
>Lilly?
>Richard.
>Und ich hatte schon Angst, dass du mich nicht erkennen könntest.
>Was ist denn passiert? Ich hatte einen schrecklichen Traum. Ein Hexenfeuer, ich habe mich damit infiziert. Aber das ist unmöglich, schließlich sind alle Hexen tot. Im dreizehnten Jahrhundert …
>… sollten alle Hexen ausgerottet worden sein. Ich weiß. Lilly, ich bin ebenso schockiert wie du. Sie sind zurück
>Nein, das kann nicht sein.
Lilia konnte und wollte sich nicht eingestehen, dass ihr schlimmster Feind noch lebte. Eine Hexe war eine ernst zu nehmende Bedrohung für das gesamte Vampirvolk. Es gab drei Dinge, die einen Vampir töten konnten: Feuer, eine Enthauptung und Hexenmagie.
>Wir müssen die Anderen warnen. Ich glaube Joel hat es erwischt. Los, beeil dich.
Lilia schwang die Füße über die Bettkante und schlug die Decke dabei nach hinten. Der Schmerz in ihrem Körper wurde durch das Adrenalin in ihren Adern gedämpft. Das Schwindelgefühl ignorierend, richtete sie sich auf. Lilias Gedanken waren bei ihrer Schwester und ihren Nichten, die den Mann und Vater verloren haben könnten. Lilia wollte sich an die Hoffnung klammern, dass er es ebenfalls überlebt hatte. Dieser Gedanke war zwar verrückt, doch vielleicht waren die Hexen schwach. Die Unsterbliche wollte daran glauben.
Richard stoppte ihren Aufbruch, in dem er plötzlich vor ihr stand und sie sanft aber bestimmt zurück aufs Bett drückte. Seine Hände ruhten auf ihren Schultern. Trotz der Dunkelheit konnte sie den tiefen Schmerz in seinen Augen erkennen.
>Sie sind alle tot, Lilly. Alle. Keiner hat überlebt
>Was ist mit meiner Schwester? Wo ist Camille? Sie war nicht infiziert! Richard, wo ist sie?
>Es geht ihr den Umständen entsprechend, Lilly. Joel ist tot. Camille ist am Boden zerstört, doch die Mädchen helfen ihr, es durchzustehen. Sie ist mit den Zwillingen zurück nach Hause gefahren. Es ist besser für Cloe und Jolie den gewohnten Alltag wieder aufzunehmen. Ich habe jemanden geschickt, der auf die drei aufpasst. Sie sind in Sicherheit.
Milly war am Leben. Erleichtert atmete Lilia durch. Aber es fiel ihr dennoch schwer, das Gesagte zu verarbeiten. Ihr Schwager war tot. Alle waren tot. Nein, das konnte einfach nicht möglich sein. Lilia weigerte sich es zu akzeptieren. Tapfer hielt sie die Tränen zurück und versuchte stark zu sein.
>Ich habe überlebt, Richy. Es ist alles okay. Du musst dich irren, die Hexen sind zu schwach, um irgendjemanden zu töten
Doch als Richard, sie in seine Arme schloss und eine Träne auf ihre Nasenspitze tropfte, wusste Lilia, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Ihr war es nicht möglich die Gefühle zu bändigen, die plötzlich über sie hereinbrachen. Da gab es die Angst, die ihr die Kehle zuschnürte und auch Reue für ihren Wunsch zu sterben. Aber am schlimmsten war das Gefühl der unbändigen Wut. Es sehnte sich danach an die Oberfläche zu kriechen und alles um sich herum in Kleinholz zu verwandeln. Die Last von Richards Armen erdrückten Lilia. Sie musste hier raus, das konnte alles nicht wahr sein.
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