Dem Feuer ergeben
Ihr Kopf drohte zu platzen. Ihr war, als schnürten schwere eiserne Ketten ihr den Brustkorb zu, um ihr den Atem zu rauben.
All das war zu viel für sie. Sie konnte und wollte es einfach nicht verstehen. Wie sollte sie auch? Ihre Familie war fort, in kleine Ascheklumpen zerfallen. Das war nicht fair! Lilia hätte ihr Leben doch freiwillig gegeben. Wieso musste das passieren?
Sie weigerte sich schlichtweg es zu akzeptieren. Es gab keine Hexen mehr. Verbrannt, ertränkt, geköpft, hatte keine von ihnen die Hexenjagd überlebt, dafür hatte der Orden gesorgt. Es war unmöglich, dass sie nun zurück waren.
Lilia musste halluzinieren. In Wahrheit befand sie sich in der Hütte im Wald und die Benzindämpfe mussten ihr die Sinne vernebelt haben.
Frische Luft. Sie brauchte frische Luft, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Bevor Richard mitbekam, was Lilia vorhatte, hatte sie sich aus der Umarmung gelöst und war, mit nichts weiter bekleidet als einem dünnen Nachthemd, auf den Flur getreten. Schneller als der Wind rannte sie durch die schmalen Gänge. Sie folgte ihrem Instinkt, der sie zur Eingangstür brachte. Kühle Nachtluft umgab sie, aber die erhoffte Wirkung blieb aus. Ihre Sinne waren noch immer getrübt, anders konnte sie sich nicht erklären, dass sie geradewegs auf riesige schneebedeckte Berge blickte. Sie befand sich nicht mehr in Köln. Mit der eisigen Luft drang die Wahrheit in ihr Bewusstsein. Als Richard sie erreichte, war Lilia bereits auf der Treppe zusammengebrochen. Ihr Gesicht hatte sie in den Händen vergraben.
Sie war in der Hölle angekommen.
Kapitel 3
Teilnahmslos sah Lilia aus dem Fenster, durch das sie einen wundervollen Blick auf die üppigen Wälder hatte. Sie schaffte es nicht, die Schönheit der Natur zu würdigen. Immer wieder hatte sie das Gefühl, alles nur zu träumen, um dann von der Realität unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück geholt zu werden.
In den vergangenen Tagen hatte Richard ihr mehr als einmal erzählen müssen, was passiert war. Durch eine Verspätung bei der Deutschen Bahn hatte er einen Anschlusszug verpasst und war deswegen viel zu spät gekommen. Ihr Cousin hatte es schon immer vorgezogen seine vampirische Fähigkeiten nur sehr selten zu nutzen. Eine Angewohnheit, der er nun sein Leben verdankte.
Als er endlich im Hotel angekommen war, hatte er Lilia und Camille im Foyer vorgefunden. Der bläuliche Schimmer lag nur noch sehr schwach auf Lilias Körper und dann war er weg. Einfach verschwunden. Richard hatte keine Sekunde gezögert und den Orden informiert. Als ehemaliges Mitglied wusste er, dass die Bruderschaft noch existierte.
Lilia tat es im Herzen weh, dass die Hexen ausgerechnet ihre Geburtstagsfeier gewählt hatten, um ihre Rückkehr bekannt zu geben. Inzwischen wusste man, dass die Kerzen verzaubert gewesen waren. Als Lilia sich an der Kerzenflamme verbrannt hatte, war der Blaue Fluch auf sie übertragen worden.
Egal, wie oft ihr Cousin es auch wiederholte, es wurde nicht leichter für Lilia es zu verstehen. Wieso ausgerechnet ihre Familie? Warum waren die Hexen überhaupt noch am Leben? Schließlich hatte der Orden im 13. Jahrhundert dafür gesorgt, dass dieses Pack ausgerottet worden war. Lilia verstand die Welt nicht mehr.
Sie fühlte sich wie damals, als ihre Mutter Alexandria ihr gestanden hatte, dass sie unsterblich war. In diesem Moment war für die junge Frau eine Welt zusammengebrochen. Immerhin hatte sie zuvor vierundzwanzig Jahre lang ein normales Leben geführt. Sie war gealtert, hatte sich verliebt und diese große Liebe sogar geheiratet. Erst die Tatsache, dass Lilia ihrem Mann kein Kind gebären konnte, brachte ihr Liebesglück ins Straucheln. Sie gab Alexandria die Schuld daran, dass Martin sie letztendlich sogar betrogen hatte.
Hätte Lilia damals gewusst, dass ihre Gene nicht menschlich waren, hätte sie es ihrem Mann erklären können. Nicht nur das, sie hätte es sich selbst erklären können. Nichts war schlimmer, als die Ungewissheit und die Angst unfruchtbar zu sein. Dabei lag ihre kinderlose Ehe einzig und allein daran, dass der menschliche Samen zu schwach war, um sich in einer vampirischen Gebärmutter einzunisten. Kein Kind hätte jemals eine Chance gehabt.
Plötzlich war auch dieser Schmerz wieder da und alles stürzte über sie herein. Zum zweiten Mal war sie dem Schicksal erbarmungslos ausgeliefert worden. Wie viel Schmerz sollte sie denn noch ertragen? Lilia hielt es nicht länger aus. Tränen rannten
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