Dem Himmel entgegen
sie auf. “In meinem Leben habe ich zu oft bloß zugeschaut, und ich habe mich inzwischen entschieden, dem Mitgefühl und der Romantik eine wichtigere Stellung in meinem Leben zuzugestehen – auch wenn Sie das anders sehen.”
Er drehte sich um und drückte sanft ihre Hand. Mit dieser Geste zeigte er ihr, dass er verstand, was sie fühlte. Sie hatten alles in ihrer Macht Stehende für die Uhus getan. Die Auswilderung war das oberste Ziel für alle Vögel, die bei ihnen eingeliefert wurden.
“Unsere Arbeit hier ist getan. Aber wir schauen noch mal nach ihm, bevor wir gehen, in Ordnung? Lassen Sie uns nun zum Fluss runter. Wir sollten den Tag nutzen.”
Sie gingen Hand in Hand zum Truck, trugen gemeinsam das Kanu ans Flussufer und ließen es in das trübe Wasser gleiten. Während sie das Boot hielt, holte er die Ladung, Paddel und Ausrüstung, brachte sie an Bord und vertäute sie sicher. Schließlich holte er noch den Picknick-Korb, den sie mit unterschiedlichsten Köstlichkeiten gepackt hatte.
“Was haben Sie da bloß nur alles reingetan?” schnaufte er und versuchte, die schwere Kühlbox in das Kanu zu hieven. “Wir sind schließlich nur für ein paar Stunden unterwegs und wandern nicht aus!”
“Nur das Nötigste, was man für ein anständiges Picknick braucht”, verteidigte sie sich. “Das ist eine Thermoskanne mit heißer Suppe”, sagte sie, als er fragend die Kanne hochhielt.
“Heiße Suppe? Aber der Wetterdienst hat doch gemeldet, dass es heute annähernde 26 Grad werden!”
“Sie haben selbst gesagt, dass man sich auf die Wettervorhersage nie verlassen sollte. In den letzten Tagen war es im Übrigen ziemlich kalt mit all dem Regen. Und außerdem erinnere ich mich, dass wir damals in Vermont, wenn wir im Frühling zu einem Ausflug aufbrachen, auch nie wussten, wie sich das Wetter entwickeln würde und ob es nicht vielleicht doch kalt und nass werden würde. Nennen Sie es Absicherung”, erklärte sie und starrte mit sorgenvoller Miene in den Himmel, an dem sich bedrohlich Wolken zusammenballten.
“Wir werden sehen, wie es wird”, seufzte sie und schob den Gedanken an den möglichen Regen zur Seite. “Außer der Suppe habe ich dann noch ein paar leckere, dick belegte Schinken-Käse-Sandwiches aus knusprigem Brot, einen Salat aus grünen Bohnen und einige Äpfel dabei. Und als Nachtisch habe ich Schokoladen-Walnuss-Brownies gebacken.” Sie blickte ihn verschmitzt grinsend an. “Ich dachte, heute könnten wir mal sündigen – Marion ist ja nicht dabei. Das ist doch nicht zu viel an Essen, oder? Es sind die Wasserflaschen, die den Picknick-Korb so schwer machen. Ich habe gleich mehrere eingepackt. Oh, und eine Flasche Wein.”
“Wein?” fragte er ungläubig.
“Warum sehen Sie mich jetzt so fragend an? Es wäre kein richtiges Picknick ohne Stärkung. Wahrscheinlich müssen wir gegen die Strömung kämpfen, wenn wir auf dem Rückweg sind, aber wenigstens lächeln wir dabei.”
“Hat Ihnen denn bisher noch nie jemand gesagt, dass Bootfahren und Alkohol sich nicht vertragen?” Missbilligend angelte er die Weinflasche aus dem Korb.
“Oh, Harris. Seien Sie doch nicht so steif.”
“Nicht so was?”
“Sie haben mich schon verstanden. Manchmal müssen Sie sich einfach mal ein bisschen entspannen und gehen lassen.”
“
Ich
muss mich entspannen und gehen lassen? Na, das sagt die Richtige.”
“Was? Wie soll ich das denn verstehen?”
“Meiner Meinung nach könnten
Sie
ruhig mal lockerer sein, Miss Majors.”
Sie schnaubte ärgerlich, bemerkte dann jedoch, wie seine Augen funkelten. Er wollte sie auf die Palme bringen – und er hatte es geschafft. Sie brach in Lachen aus. Auch Harris prustete los und steckte mit einem Schulterzucken die Flasche Wein zurück in den Picknick-Korb.
“Nur für medizinische Zwecke”, erklärte Ella.
“Wie wäre es mit einem Sandwich?”
“Oh, nein. Das müssen wir uns erst verdienen.”
“Ihr Nordstaatler mit eurer Arbeitsmoral. Also gut, legen Sie die Schwimmweste an, und springen Sie ins Boot. Dann wollen wir mal …”
Sie legte die Rettungsweste an und kletterte vorsichtig in den vorderen Teil des schwankenden Kanus. Als sie sicher saß, schob Harris das Boot ins Wasser. Ella spürte die Aufregung, ihr Herz pochte schneller, und ehe sie sich versah, hatte sie sich dem wilden Rhythmus des Flusses angepasst. Zuerst schwankte und kippelte das Kanu hin und her. Harris und Ella lachten, stöhnten und kämpften, aber sie versuchten verbissen
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