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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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vorsichtig einige Schritte auf sie zu machte.
    Ihre Augen waren sanft, klar, voller Sorge und einer Art Hingabe. Als er näher kam, hob sie ihre schlanke Hand und hielt sie abwehrend gegen seinen Oberkörper.
    “Brady …” sagte sie und stoppte ihn.
    “Clarice.” Er wollte ihren Namen hören. “Wenn ich so viel geschafft habe, dann nur deinetwegen.”
    “Oh, nein. Sag nicht so was.”
    “Aber es ist die Wahrheit. Ich habe alles nur für dich getan”, wiederholte er.
    “Das hättest du nicht tun müssen!” entgegnete sie aufgebracht. “Das ist nicht richtig. Verstehst du das nicht? Du kannst da draußen in der Welt nicht bestehen, wenn du für mich oder für deine Eltern oder für Harris oder sonst wen arbeitest. Du musst es für dich tun. Du musst es für dich wollen!”
    “Aber du sollst wissen, was ich für dich fühle.”
    Sie schüttelte den Kopf und sagte inbrünstig: “Sag es nicht. Bitte, Brady.”
    “Du kannst nicht abstreiten, dass da etwas zwischen uns ist.”
    Clarice atmete tief ein und senkte den Blick. “Nein, das kann ich nicht.”
    Doch als sein Herz schon vor Freude zu hüpfen begann, zerschlug sie seine Hoffnungen.
    “Aber sei realistisch, Brady. Wenn wir zusammen wären, gäbe es so viele Hindernisse, so viele Probleme – ich weiß nicht einmal, wo ich anfangen sollte, wenn ich sie alle aufzählen wollte. Und warum sollten wir uns überhaupt den Kopf darüber zerbrechen? Ich habe nächste Woche meine Prüfungen, und dann gehe ich nach Kalifornien. Ich lebe mein eigenes Leben. Ich habe meine eigenen Pläne. Und diese Pläne schließen dich nicht ein.”
    “Oh.” Er wich zurück, sein Gesicht war rot vor Scham. “Vergiss es”, murmelte er und vergrub die Hände tief in seinen Hosentaschen.
    “Brady, es ist nicht so, dass ich nichts für dich empfinde.”
    Er verzog gekränkt den Mund.
    “Tu das nicht. Nicht jetzt, nicht in diesem Augenblick. Lass uns einfach so weitermachen wie bisher.”
    “Ach, ja? Und wie genau ist ‘wie bisher’?”
    Sie zog die Augenbrauen hoch, wie sie es so häufig tat, und lächelte ihn unsicher an, als wolle sie ihn damit um Verständnis bitten. Sie machte einen Schritt auf ihn zu und legte ihm die Hand auf den Arm. “Wir sind einfach zwei Menschen, die zusammen an etwas arbeiten, was ihnen viel bedeutet. Zwei Menschen, die eine gute Zeit hatten. Freunde. Ja, ich denke, wir sind gute Freunde.”
    Brady atmete scharf aus und versuchte, seine Gefühle zu ordnen. Tief in seinem Innersten hatte er die ganze Zeit geahnt, dass aus ihm und Clarice nicht mehr werden würde. In den letzten Monaten hatte er so hart daran gearbeitet, seinem Leben eine Wende zu geben, und sie war stets für ihn da gewesen. Sie hatte ihm Mut zugesprochen. Ihr Lächeln, ihre Nachhilfe, ihr Glaube in ihn hatten ihm so unendlich viel geholfen. Er hatte begonnen zu glauben, dass er sein Leben ändern könnte.
    Und auch der alte Hahn war immer für ihn da gewesen. Hatte ihn stets beobachtet, ein Auge auf ihn gehabt. Auch wenn es unglaublich erschien, Brady hatte geglaubt, dass der Hahn
sein
Totem war. Er hatte sich nie getraut, diesen Gedanken mit jemandem zu teilen, doch immer, wenn jemand fragte, warum der Hahn am Tor saß, wollte er nichts mehr, als zu sagen: “Meinetwegen. Er ist
meinetwegen
hier!”
    Jetzt wurde ihm bewusst, wie dumm und falsch es war, das anzunehmen – wie er auch bei vielen anderen Dingen falsch gelegen hatte. Er war ein Verlierer, und er sollte das einfach akzeptieren und aufhören zu glauben, er könnte etwas daran ändern. Denn ganz gleich, wie sehr er sich auch anstrengte, alles, was er anpackte, endete gleich: tot und begraben in der staubigen Erde.
    “Brady? Sag mir, sind wir noch Freunde?”
    Er blickte Clarice mit verschlossener, unbewegter Miene an, zuckte die Schultern und sagte: “Sicher.” Er beugte sich vor, hob die Schaufel auf und schulterte sie. “Was denn sonst.”

18. KAPITEL
    S egelflug:
Wenn die Sonne den Erdboden ungleichmäßig erwärmt, entsteht ein warmer Aufwind, die so genannte Thermik. Greifvögel suchen solche Aufwinde und nutzen sie, um mit minimaler Kraftanstrengung in den Himmel aufzusteigen. Sie spreizen ihre Flügel und ihr Schwanzgefieder und lassen sich vom warmen Aufwind nach oben tragen, wo sie auf dem Wind “reiten”
.
    Der Mai stand in voller Blüte. Die Sonne schien warm und ließ die bislang karge Erde und auch Ella Elizabeth Majors erblühen – süß riechend, wiegend, glitzernd, sich bereitwillig öffnend

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