Dem Himmel entgegen
vertrieben, aber sie gefielen mir gar nicht.”
“Sie hatten kein Recht, hier zu jagen. Dies ist ein Privatgrundstück.”
“Das hält sie nicht davon ab. Im Herbst ist es noch schlimmer. Man selbst befindet sich permanent in Lebensgefahr, wenn man in dieser Zeit durch die Wälder streift.”
“Harris, du glaubst doch nicht …”
Sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich seine Anspannung. “Mich würde nichts mehr überraschen.”
Sie blickte in den Himmel und entdeckte einen dritten Geier, der zu den beiden anderen stieß. Die Vögel kreisten still und bedrohlich am Himmel. “Du bleibst hier bei Cinnamon”, sagte Ella. “Ich sehe mich mal um.”
Der Kies knirschte unter ihren Sohlen, als sie das Gatter öffnete und unter der Sumpfkiefer nachschaute, wo der Hahn meistens gesessen hatte. Das Laub war dicht, und eine grüne Echse sonnte sich auf einem Magnolienblatt. Ella schob einige Kiefernäste beiseite und untersuchte die nähere Umgebung der Straße. Sie entdeckte eine weiße Feder, die im Schlamm lag. Eine plötzliche Ahnung schnürte ihr die Kehle zu. Sie lief weiter in den Wald hinein.
“Oh, nein”, stieß sie hervor, als sie ihn fand.
Der Hahn lag leblos in einem Gewirr aus Unkraut. Blut, so rot wie sein Kamm, benetzte sein weißes Brustgefieder.
Am nächsten Tag bog Brady mit heulendem Motor vom Highway auf den Weg zum Center ab. Die Musik quäkte aus den Lautsprechern, und sein Arm hing lässig aus dem geöffneten Fenster. Seine Eltern waren so erfreut über seinen verbesserten Notendurchschnitt, dass sie sich hatten erweichen lassen und ihn wieder fahren ließen. Brady fühlte sich gut, ja, regelrecht euphorisch. Seine Kurse hatte er allesamt bestanden, und bei den weiterführenden Tests hatte er ein gutes Gefühl, ganz passabel abgeschnitten zu haben. Und vor allem war er nun ein Mitglied des Teams, das sich um die Dauerbewohner des Centers kümmerte. Heute trug er mit stolzgeschwellter Brust sein offizielles “Coastal Carolina Center für Greifvögel”-T-Shirt, das ihm das Team beim letzten Treffen geschenkt hatte. Es war wie eine Mini-Abschluss-Feier gewesen, und es hatte ihm mehr bedeutet als jeder Abschluss, den er zuvor gemacht hatte.
Er hielt vor dem Tor an und hüpfte aus dem Wagen, um es zu öffnen. Dabei blickte er sich um und bemerkte, dass der Hahn nicht an seinem Platz saß. Wo steckte dieser vertrottelte Vogel? fragte er sich. Es war das erste Mal, dass er das Tier nicht auf dem Gatter sitzen und ihn beobachten sah. Er hielt noch immer Ausschau, als er durch das Gatter fuhr und das Tor hinter sich schloss. Doch der Hahn war nicht da.
“Hey, Harris”, sagte er schwungvoll, als er in das Zimmer kam, in dem die Tiere vermessen und gewogen wurden. “Lijah.”
Er stemmte die Hände in die Hüften und sog die würzige Luft ein. Diesen Raum mochte er am liebsten. Er liebte den Geruch von Leder und den Anblick der Falkner-Ausrüstung, die fein säuberlich an den Wänden aufgehängt war. Ein Blick in die große Tabelle zeigte ihm, wie groß und schwer jeder Dauergast des Centers war, damit er die Nahrung abwiegen und zubereiten konnte. Er fühlte sich hier wie zu Hause und lächelte, aufgeregt und begierig, seinen ersten Tag als Teammitglied zu beginnen.
“Hat irgendjemand heute schon den verrückten Hahn gesehen?” fragte er und schmiss seine Tasche auf den Boden. “Er war nicht unten an der Umzäunung.”
Harris zog besorgt die Augenbrauen zusammen und blickte durch den Raum zu Lijah hinüber.
Verdammt, dachte Brady, der die Blicke durchaus bemerkt hatte. Plötzlich fühlte er sich ernüchtert. Was hatte er dieses Mal falsch gemacht? Er verlagerte sein Gewicht von einem aufs andere Bein. In der entstanden Stille fühlte er sich unwohl. “Was ist los?”
“Es ist etwas Furchtbares passiert”, begann Harris langsam. Er zögerte. “Wir haben den Hahn im Wald nahe dem Gatter gefunden. Jemand hat ihn erschossen.”
Brady rührte sich nicht. “Was? Wann?”
“Wir haben ihn gestern gefunden. Ich denke, er ist irgendwann Samstagnacht erschossen worden.”
“Nein! Das glaube ich nicht! Wer erschießt denn diesen Hahn? Er hat doch niemandem etwas getan!”
“Ich weiß es nicht.”
“Aber … warum?” presste Brady hervor. Er fühlte sich traurig und verzweifelt.
Harris hatte die Lippen aufeinander gepresst. Der Zorn schnürte ihm fast den Atem ab. “Weil sie es können. Ich habe Samstag einige Jungs hier in der Gegend herumstreunen sehen, aber ich kann nicht mit
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