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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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Sie irgendetwas tun, könnten Sie die Mäuse wegpacken? Das ist wirklich nicht sehr hygienisch. Und …” Sie nahm all ihren Mut zusammen. “Ich will Ihnen nicht vorschreiben, wie Sie Ihren Arbeitsplatz in der Klinik organisieren, aber da dies hier mein Arbeitsplatz sein wird, muss ich Sie bitten, keine toten Mäuse mehr in meinem Kühlschrank zu lagern.”
    Er schwieg kurz, um nachzudenken, nickte dann und holte die Plastikdose. Marion hatte sich gegen das Sofa im Nebenzimmer gelehnt und betrachtete die Szene mit lebhaftem Interesse.
    “Ich danke Ihnen”, sagte Ella mit einem aufrichtigen Seufzer der Erleichterung, als er das Behältnis nahm. “Kann ich Ihnen sonst irgendwie helfen?”
    “Nein, das mache ich schon. Wie ich bereits sagte, Sie sind unser Gast.”
    “Aber das bin ich nicht. Ich mag es nicht, untätig in der Gegend herumzusitzen, und Marion sollte so schnell wie möglich etwas in den Bauch bekommen. Warum soll ich nicht schon mal das Fleisch würzen, während Sie sich um den Grill kümmern? Und ich könnte einen Salat zubereiten. Das könnte ich doch tun, oder?”
    “Sie sind wirklich eine Nervensäge”, sagte er tonlos. Sie konnte nicht entscheiden, ob es als Kompliment oder Kritik gemeint war. “Gut, dann überlasse ich Ihnen ab heute die Küche. Ich werde nur mal schnell die hier los und werfe anschließend den Grill an.”
    Später an diesem Abend saß Ella auf der Kante ihres Bettes und starrte aus ihrem offenen Fenster in die Nacht hinaus. Ihr langes Haar fiel in weichen Wellen sanft über ihren Rücken und bewegte sich leicht in der kühlen Brise, die ins Zimmer wehte. Die Nacht war frisch, und sie hatte das Fenster geöffnet, um dem Schreien der werbenden Eulen zu lauschen. Harris hatte ihr beim Abendessen erklärt, dass die Eulen Paarungszeit hatten. Nachts, wenn die anderen Vögel sich zur Ruhe begaben, erwachten die Eulen erst zum Leben und begannen zu rufen.
    Harris. Sie war erleichtert und glücklich darüber, dass ihr Arbeitgeber ein ansprechender, wohlerzogener Mann war. Und trotzdem war sie nicht auf ihre eigene Reaktion auf ihn vorbereitet gewesen. Sie fühlte sich magisch von ihm angezogen, und wenn immer er in der Nähe war, schlug ihr Herz so schnell und so laut, dass sie die Arme um ihren Leib schlingen musste, weil sie Angst hatte, dass er es sonst hören könnte. In diesem Moment lag er in seinem Bett im Zimmer am Ende des Flures, nicht weit von ihr entfernt, und sie war sich dieser Nähe schmerzlich bewusst.
    Ella kuschelte sich immer tiefer in ihren Morgenmantel und lehnte sich nach vorne, um die melodische Abfolge von tiefen Rufen besser zu hören. Das melancholische Kreischen der Vögel ging von einem Käfig zum anderen – als ob die Tiere miteinander kommunizierten. Manchmal schrie auch eine Eule von einem Baum herüber. Aus allen Himmelsrichtungen tönten die Rufe, und der geheimnisvolle, erotische Gesang der Eulen entführte sie in die Nacht.
    Sie schloss die Augen und hielt ihr Gesicht in den kühlen, feuchten Windhauch. Der geisterhafte, bleiche Mond schien über allem, und sie fühlte sich, als wäre ihr Herz geöffnet worden und ihre sorgsam verborgenen und wohl behüteten Erinnerungen nach außen gedrungen, wie ein paar alte Leinentücher und Kleider, die aus einer verstaubten Truhe zum Lüften nach draußen gehängt werden. Ihre Erinnerungen umgaben sie schmerzhaft, und sie spürte eine tiefe Leere und Einsamkeit. Die Dunkelheit war erfüllt von den Liebesgesängen der Eulen, und sie saß, vollkommen allein, auf ihrem Bett.
    Wie immer.
    Ella war fünfunddreißig Jahre alt. Sie stand zu ihrem Alter und konnte es jedem, der fragte, ohne zu stottern, zu erröten oder ein paar Jahre wegschummeln zu wollen, preisgeben. Fünfzehn Jahre lang hatte sie als Kinderkrankenschwester gearbeitet und war mit all ihrer Hartnäckigkeit und Hingabe, die ihr innewohnte, in dem Beruf aufgegangen. Am Vorabend ihres letzten Geburtstages hatte sie sich wie gewöhnlich eine Tasse Tee gemacht, ein Feuer in ihrem Kamin entzündet und, während sie in die Flammen starrte, über sich nachgedacht. Sie hatte ihr Leben fein säuberlich und realistisch analysiert, wie ein Buchhalter Zahlen analysiert.
    Sie war eine durchschnittliche, nicht besonders hübsche Frau mit einer hervorragenden Schulbildung und guten Jobaussichten. Sie hatte seit achtzehn Monaten keine Verabredung mehr gehabt, seit vier Jahren keinen festen Freund mehr, und ihre romantischen Perspektiven sahen nicht gerade rosig

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