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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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ein Feuer im Kamin erstirbt. Sie zitterte wie Espenlaub und nahm schnell ihren Morgenmantel vom Ende des Bettes, wo sie ihn am Abend zuvor abgelegt hatte. Während sie in den wunderbar wärmenden Mantel schlüpfte, huschte sie barfuß über den eisigen Fußboden zum Fenster, um durch einen Schlitz zwischen den Vorhängen einen Blick in den Garten zu werfen.
    Draußen erwachte der Tag und tauchte die Welt in zarte, weiche Farben. Entzückt zog sie Vorhänge zur Seite, um eine bessere Sicht zu haben. Die idyllische Szene eines kleinen, stillen, tiefschwarzen Weihers, vollkommen eingeschlossen von grünen Kiefernwäldern, war ihr bei ihrer Ankunft gar nicht aufgefallen. Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht. Ihr gefiel der Gedanke, jeden Morgen diese wundervolle Aussicht genießen zu können. Eine Holzhütte mit einem Blechdach schmiegte sich ans Ufer des Teiches. Das musste die Hütte sein, in der Mr. Henderson angeboten hatte zu übernachten, sobald das Wetter besser würde. Sehr niedlich, fast verwunschen, dachte sie, als sie den Vorhang aus den Händen gleiten ließ und vom Fenster zurücktreten wollte. Doch aus den Augenwinkeln bemerkte sie eine Bewegung in der Nähe der Hütte.
    Verwundert riss sie den Vorhang zur Seite und beugte sich weit vor, um besser sehen zu können. Tatsächlich. Sie hatte sich die Bewegung nicht eingebildet … Ein hagerer dunkelhäutiger Mann mit einem Bündel unter dem Arm stahl sich gerade aus der Holzhütte und huschte davon.
    Verblüfft und mit offenem Mund verharrte sie noch einen Augenblick am Fenster. Das konnte doch nicht wahr sein! Jemand schlief in der alten Hütte? Bei dieser Witterung? Sie konnte es nicht fassen. Aus dem Kamin kamen keinerlei verräterische Rauchwolken, und am Dach hingen Eiszapfen. Da drinnen muss es doch eisig sein, dachte sie bei sich und fror schon beim bloßen Gedanken an die Kälte im Haus. Das alles schien ihr höchst suspekt, und sie entschied, Mr. Henderson beim Frühstück darauf anzusprechen.
    “Ein Mann in der Holzhütte? Sind Sie sicher?” fragte Harris und blickte dabei skeptisch auf seinen Teller mit dem gebratenen Speck. Drei dicke Streifen lagen dort in einer Pfütze aus Fett, die an den Kanten völlig verbrannt waren.
    “Natürlich bin ich sicher”, erwiderte Ella bestimmt, die neben ihm stand und ihm gerade Kaffee nachschenkte. “Sie meinen doch nicht etwa, dass ich mir das ausdenke, oder?”
    “Nein, selbstverständlich nicht. Es ist nur …” Er schob den Teller mit dem Speck zur Seite und griff nach dem Toast. Auch die gerösteten Brotscheiben waren an den Kanten bereits schwarz. “Ein großer Mann, sagen Sie? Schlank? Dunkelhäutig?”
    Ella zuckte innerlich zusammen, als sie sah, wie er verstohlen die verbrannten Ecken des Toastes abkratzte. Er wirkte unendlich müde, mit seinem zerzausten Haar und seinem schläfrigen Blick, und gleichzeitig so jungenhaft, dass Ella an sich halten musste, um nicht “Iss jetzt auf!” zu rufen, wie es früher ihre Tanten mit ihr gemacht hatten, wenn sie wieder mit dem Essen auf ihrem Teller gespielt hatte.
    “Genau so!” erwiderte sie.
    Harris stützte die Ellbogen auf dem Tisch ab. “Lijah”, sagte er nur, bevor er begann, den verkohlten Toast dick mit Marmelade zu beschmieren.
    Ella fühlte sich beim Anblick des dürftigen, leicht verunglückten Frühstücks ein wenig schuldig und verschwand eilig in die Küche, wo sie sich eine stärkende zweite Tasse Kaffee einschenkte. Schon seit Stunden war sie auf den Beinen. Da sie als Erste aufgestanden war, nahm sie in rekordverdächtiger Zeit eine Dusche und zog sich Jeans und ein dickes Sweatshirt an. Das Haus war ihr so fremd, und sie musste gegen eine plötzliche Welle des Heimwehs und der Selbstzweifel ankämpfen. Doch sie ordnete ihre Gedanken, schob die Ängste beiseite und konzentrierte sich auf ihre Aufgaben. Als Erstes suchte sie Besen und Kehrblech. An einem Haken in der Küche hing eine Fleischerschürze, die sie sich umband, und einen Besen fand sie hinter der Küchentür. Mit dem Werkzeug in der Hand ging sie zum Holzofen. Wie sie erwartet hatte, war das Feuer schon lange erloschen und der Ofen ausgekühlt.
    Holzöfen waren in Vermont üblich, und in kürzester Zeit hatte sie die Asche herausgefegt, nach draußen gebracht und ein neues Feuer entfacht, wozu sie das Holz verwendete, das sie in dem Fass auf der Veranda entdeckt hatte. Nachdem sie danach ihre Hände gewaschen hatte, fand sie es an der Zeit, sich mit der Küche

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