Dem Killer auf der Fährte
der gerade vorbeikam. »Was ist er für einer?«
»Sie. Ein Malamute.«
»Ich dachte, es wäre so 'ne Art Husky.«
»Sie ist ganz und gar Malamute«, erklärte ich.
»Großer Bursche.«
»Ja, das ist sie«, antwortete ich. »Sie wiegt ungefähr fünfundsiebzig Pfund.«
»Echt riesig, der Knabe.«
Dabei sollte ich noch hinzufügen, daß Kimi nicht nur groß und stark, sondern auch ausgesprochen weiblich aussah. Sie gehörte nicht zu den Hündinnen, die aussehen wie Rüden. Ich hätte das nicht mit Elaine Walsh diskutieren mögen. Es gibt übrigens auch Rüden, die sich benehmen wie Hündinnen, aber das ist jetzt nicht so wichtig. Als der Typ jedenfalls anfing, Kimis Kopf zu tätscheln, ließ sie sich auf dem feuchten Gehsteig nieder, rollte sich auf den Rücken, knickte die Pfoten ein und signalisierte ihm mit ihrem Blick, daß sie am Bauch gekrault werden wollte. Ich war froh zu sehen, daß sie diese Strategie wählte. Die Alternative wäre nämlich gewesen, den Mann zur Begrüßung anzuspringen, was sie bereits ein paarmal getan hatte. Aber dieser Trottel, der natürlich nicht die geringste Ahnung von der Psyche eines Malamutes hatte, stand bloß da und sah mit einem verlegenen Gesichtsausdruck auf Kimi herab. Offensichtlich hatte er inzwischen wenigstens die Gelegenheit gehabt zu bemerken, daß sie eine Hündin war, aber aus irgendeinem Grund schien er aus dieser Beobachtung keine Schlüsse ziehen zu wollen.
»Ist schon gut, mein Junge«, sagte er zu ihr.
Nachdem er seiner Wege gegangen war, sah ich mir noch eine Weile Donnas Haus an und ging dann mit Kimi in Richtung Brattle Street. Unweit von Donnas Haus gab es eines, das mir schon auf meinen Spaziergängen mit Rowdy aufgefallen war. Das heißt, das kastenförmige Haus selbst war nicht besonders ungewöhnlich, aber statt eines Rasens oder Vorgartens war vor dem Eingang eine äußerst merkwürdige Anlage von
Pflanzen und Steinen aufgebaut. Es gab dort sechs oder acht rosafarbene Quarzblöcke, Dutzende von aufrecht stehenden Granit- und Schieferplatten sowie ein Arrangement aus verkrüppelten Miniaturgrünpflanzen und verkümmerten Laubbäumen mit grotesk verdrehten, blattlosen Zweigen, die aussahen, als wären sie auf sehr schmerzhafte Weise gestorben. Während ich diese Szenerie betrachtete, kam ich mir selbst fast makaber vor, so als wäre ich einer von diesen sensationslüsternen Gaffern, die wegen des Nervenkitzels langsam an einem Unfall auf der Autobahn vorbeifahren. Ich war so in den Anblick vertieft, daß ich Kimi gar nicht mehr beachtete, die an der niedrigen Umfassungsmauer aus groben Steinen schnüffelte und scharrte, bis sie plötzlich derart an der Leine riß, daß sie mir beinahe den Arm ausgekugelt hätte. Wie einen Schlitten schleifte sie mich die Straße entlang und auf ihr Ziel zu, zwei Rhodesian Ridgebacks an der Seite von, wie ich jetzt erkannte, Kelly Baker, die mir einmal erzählt hatte, daß sie mit ihren Hunden jeden Tag eine Strecke von mindestens sechs Meilen zurücklegt.
Dann ging Kimi zu Boden. Falls Sie jemals einen Malamute ausführen und feststellen, daß er sich bei dem Anblick von anderen Hunden plötzlich auf dem Gehsteig niederläßt, glauben Sie nur nicht, daß er dann eine Platzübung absolviert. Tatsächlich hat nichts weniger mit einem folgsamen Platznehmen zu tun als diese bewegungslose, katzenartige Haltung. Bei Wölfen nennt man es die Lauerstellung. Flach niedergekauert bereitet sich der Hund darauf vor, seine Beute anzuspringen, und wenn man nicht aufpaßt, reißt er einen mit in seinen Sprung. Ich sollte aber noch hinzufügen, daß Kimis Variante der Lauerstellung eher so etwas war wie der spielerische Stoß in die Magengrube, mit dem sich Machos gegenseitig zu grüßen pflegen, und nicht das Anzeichen einer ernsthaften Absicht, einen Kampf mit den Ridgebacks Nip und Tuck aufzunehmen. Kelly, die die Bedeutung dieses Rituals wahrscheinlich erkannte und ohnehin wußte, daß ich mit einem Hund umgehen konnte, geriet keineswegs in Panik, so wie andere, die es nicht besser wissen, wenn ein eigentlich sanftes und freundliches Wesen wie Kimi nur so tut, als wäre sie gemeingefährlich. Und natürlich kann ich mit einem großen Hund umgehen. Man muß nur jeden einzelnen Muskel im Körper entspannen und alle Gelenke locker angewinkelt lassen, besonders in den Hüften, Knien, Schultern, Ellbogen und Handgelenken. Mit anderen Worten: Man nehme die Stellung eines japanischen Sumo-Ringers ein und halte die Leine mit
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