Dem Killer auf der Fährte
haßt es ebenso sehr wie jeder andere, in der klirrenden Kälte herumzulaufen.«
Er selbst sah ebenfalls recht distinguiert aus. Sein Wollmantel kam offensichtlich nicht aus dem Kaufhaus, und er mußte auch in der nächsten Zeit nicht zum Frisör.
»Genau«, lächelte sie. »Ich bin bloß eine Hunde-Märtyrerin.«
Während ich so mit ihnen plauderte und dabei hoffte, daß sie mich zum Abendessen einladen würden - was sie nicht taten -, kam ein neuer Volvo-Kombi im absoluten Halteverbot an der Gehsteigkante neben uns zum Stehen, und Sheila Moss stieg aus. Ihr Mantel stammte wahrscheinlich aus Afghanistan oder Nepal und war in einem der Ethno-Läden am Harvard Square gekauft worden. Er war aus einem rupfenartigen Stoff geschnitten und mit aufgenähten Lappen aus Leder oder Fell dekoriert. Anstelle von Knöpfen hatte er reichverzierte Schnurverschlüsse, von denen zwei fast abgerissen waren. An ihren Füßen trug sie diese entsetzlichen, gesunden Sandalen über dicken Wollsocken. In jeder anderen amerikanischen Stadt, außer vielleicht in Berkeley, Kalifornien, hätte man sie für eine etwas extravagant gekleidete Bettlerin gehalten, aber nach Cambridge-Standard war ihr Aufzug Beweis von Wohlstand und Prestigebewußtsein.
Mir fiel ein, daß Sheila den Leuten erzählt hatte, sie sollten keine Patienten mehr zu Joel schicken und erwartete jetzt beinahe, daß sie etwas so Altmodisches und Peinliches tun würde, wie ihn zu ignorieren, oder so etwas Modernes und Peinliches, wie ihn mit dem Problem zu konfrontieren, um mit Ritas Worten zu reden. Aber alles, was Sheila tat, war, Kelly und mich zuerst und dann Joel zu begrüßen, und die Bakers haben wahrscheinlich nicht einmal das Geringste bemerkt.
Sie hielt in ihrem Redefluß inne und fuhr dann nervös fort: »Aber was rede ich da? Sie kaufen natürlich keine fertigen Nudeln, nicht wahr? Sie machen sie sicher selbst.«
»Nicht sehr oft«, erwiderte Kelly. »Und wenn ich vier Kinder hätte, würde ich es wohl nie tun.« Ihr hübsches
Gesicht zeigte keine Spur von Traurigkeit, aber sie beugte sich zu Tuck nieder und kraulte den Kopf des Hundes.
»Da fällt mir ein«, sagte Sheila, »Ich muß meine noch holen.«
Ich wußte nicht, ob sie damit die Tortellini oder ihre Kinder meinte. Rita- hat wohl recht mit ihrer Theorie über die Superfrau. Es ist einfach unmöglich, das immer durchzuhalten. Und wenn man es trotzdem versucht, riskiert man, so zu reden, als könne man die eigenen Kinder nicht mehr von irgendeiner Nudelsorte unterscheiden. Aber vielleicht ist das einfach so, wenn man Hausfrau und Mutter ist.
»Oh Gott«, rief Sheila dann. »Ich bin mal wieder zu spät, wie üblich. Und ich habe nichts zu Essen im Haus, außer Hotdogs für die Kinder, und das ist nicht gerade Bens Vorstellung von einem Abendessen. Die Tortellinis von Formaggio sind gar nicht so schlecht, besonders die mit Spinat. Haben Sie sie mal probiert?«
Obwohl es auf der Concord Avenue, nur eine Straße von meinem Haus entfernt, einen Waschsalon gibt, habe ich Ron Coughlin, der nicht nur mein Installateur, sondern auch einer meiner Freunde im Cambridge Dog Training Club ist, damit beauftragt, im Keller eine Münzwaschmaschine für mich und meine Mieter zu installieren. Im Winter sind die Gehsteige von Cambridge vereist und glatt. Zwischen Straße und Trottoir bilden sich aus schmutzigschwarzem Matsch, der einmal Schnee gewesen war, steinharte Barrikaden, die ziemlich schwer zu überwinden sind, wenn man mit einem Wäschekorb beladen ist. Da die meisten Kleidungsstücke von Rita in die chemische Reinigung gehören (eine Kategorie, in die sie auch ihr einziges Paar Jeans einordnet), verwendet sie die Waschmaschine kaum, während ich meine gesamte Wäsche darin wasche. Das taten auch die Mieter im dritten Stock meines Hauses, ein Schweizer Ehepaar, das sich die Hausarbeit so exakt teilt, daß keiner von beiden ohne die Hilfe des anderen seine Wäsche von der Wohnung in den Keller und wieder hochschleppte, oder sie aus der Waschmaschine in den Trockner lud. Die beiden Schweizer waren es auch, die den Schlüssel im Trockner scheppern gehört und mir zurückgegeben hatten. Er mußte aus der Tasche meiner Jeans gefallen sein, die ich getragen hatte, als ich Elaine Walsh das erste Mal besuchte.
Der Lattenzaun schirmte Elaines Haus immer noch zur Straße hin ab, und das Schloß war nicht ausgewechselt worden. Kevin Dennehy hatte sich geweigert, mir etwas über den Inhalt der Geschäftsunterlagen,
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