Dem Killer auf der Fährte
richtig? Entweder hat er eine Klientin mißbraucht, oder er führt ein bizarres Leben, das jetzt natürlich gar nichts Bizarres hat, weil niemand etwas davon weiß. Aber wenn es erst einmal in den Zeitungen steht, wäre er für die Öffentlichkeit entweder ein Krimineller oder ein Freak. Und es geht ja nicht nur um ihn. Er würde doch nie zulassen, daß ihr diese Schmach angetan wird. Eben noch die phantastischste Ehefrau und Köchin der Welt, die sich um die Hunde kümmert und sich ein Baby wünscht, so daß jeder annimmt, daß sie über kurz oder lang eines adoptieren werden, und im nächsten Moment steht die ganze Geschichte als Schlagzeile im Globe und im Herald,.«
»Ganz zu schweigen vom National Esquire.«
»Ich will nicht, daß er es getan hat«, sagte ich. »Ich glaube, vorher hatte ich eine Spur von Zweifel über ihn. Weißt du, ich dachte, es hätte doch sein können. Ich meine, daß er das, was Donna behauptet, wirklich getan hat. Daß sie es immer heraufbeschworen hat, und daß es nun vielleicht tatsächlich passiert ist. Oder, daß sie es diesmal so eingerichtet und ihn verführt hat. Und daß er sie dann zum Schweigen gebracht hat.« Ich senkte meine Stimme, obwohl sich das Restaurant inzwischen fast geleert hatte. »Aber dann ist Elaine der Sache nachgegangen. Aus Prinzip. Sie glaubte, es war Selbstmord, und das hat sie in ihrem Entschluß, ihn anzuzeigen, wahrscheinlich nur noch bestärkt, denn sie mußte ja annehmen, daß er für diesen Selbstmord verantwortlich war. Aber jetzt? Mein Gott, er muß Elaine wirklich gehaßt haben. Man kann es ihm kaum verdenken, denn es ist so schrecklich unfair.«
»Hast du Kevin schon von deiner neuen Theorie erzählt?«
»Ich habe ihn noch nicht gesehen. Um die Wahrheit zu sagen: Ich bin ihm aus dem Weg gegangen. Wenn du den Gedanken schon so monströs und absurd findest, daß du ihn nicht zuläßt...«
Wenn es etwas gibt, das einen Therapeuten wütend macht, dann ist es der Vorwurf, irgend etwas nicht zuzulassen. Rita unterbrach mich auch prompt: »Es hat überhaupt nichts damit zu tun, daß ich den Gedanken nicht zulasse, wenn ich mich weigere, etwas völlig Unwahrscheinliches zu glauben. Ich prüfe ihn einfach nur auf seinen Realitätsgehalt.«
»Du hast Kimi nicht erlebt.«
»Kimi, die zu dir gesprochen hat.«
»In ihrer eigenen Sprache.«
Rita betrachtete eingehend die Decke.
»Siehst du?« sagte ich zu ihr. »Wenn das deine Antwort ist, was glaubst du wohl, wird mir Kevin sagen? Vorurteilsfreie Aufgeschlossenheit gegenüber den extremen Erscheinungsformen menschlichen Verhaltens ist nicht gerade das, was man von ihm erwarten kann.«
»Er ist ein Bulle aus Cambridge. Er ist hier aufgewachsen, wobei er wohl kaum eine behütete Kindheit hatte, und er kennt das Leben. Das ist auch der Grund, warum er deiner Theorie keinen Glauben schenken wird, denn sogar für Cambridge und im Vergleich zu allem, was er hier erlebt und gesehen hat, ist sie einfach zu weit hergeholt. Aber du hast ihm doch diese Briefe gezeigt, oder?«
»Ehrlich gesagt, nein. Und ich weiß nicht, ob er in Elaines Computer nachgesehen hat. Oder vielleicht hatte sie sonst irgendwo noch Kopien ihrer Korrespondenz, die die Polizei hätte finden können.«
»Und warum hast du nicht...?«
»Das Motiv ist so stark«, antwortete ich. »Besonders jetzt. Kannst du dir Kevins Reaktion darauf vorstellen? Angenommen, ich hätte wirklich recht mit meiner Theorie, und er würde es mir abnehmen, was dann? Dann würde sich doch niemand mehr die Mühe machen, nach weiteren Beweisen zu suchen. Niemand würde es mehr für möglich halten, daß er unschuldig sein könnte.«
»Hältst du es für möglich?«
»Ja«, sagte ich bestimmt. »Na gut, er hatte so ziemlich das stärkste Motiv, das man sich vorstellen kann. Aber vielleicht ist das auch alles. Vielleicht hat ihm jemand anderer einen großen Gefallen getan.«
»Und wer?«
»Jemand, der eine Menge von diesem Medikament, Sinequan, bekommen konnte. Jemand, der nicht wußte, daß sie keinen Hüttenkäse mochte. Aber wo hat er das Zeug herbekommen? Und wie hat er es in den Milchbehälter geschmuggelt? Wer hätte die Gelegenheit dazu gehabt? Und wer, außer ihm, hatte einen Grund dafür? Die beiden führen ein ausgesprochen merkwürdiges Leben. Und weißt du, was das merkwürdigste daran ist? Es sind einfach zwei schrecklich nette, liebenswerte Leute, und ich mag sie. Wenn ich jetzt Kevin alles erzähle, haben sie doch keine Chance mehr, und absolut
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