Dem Killer auf der Fährte
Donna.«
»Und nachdem sie nicht mehr war, dachten Sie, daß Elaine... «
Er unterbrach mich: »Ich hoffte es.«
»Aber Sie haben Elaine unterschätzt. Sie kannten sie wohl nicht sehr gut.«
»Ich kannte sie kaum.«
»Ja«, meinte ich. »Das ist richtig. Das konnten Sie nicht. Aber Sie wußten von Dr. Arsenault.«
»Das weiß doch jeder.«
»Ich nicht.«
Jetzt zeigte sein Gesicht zum ersten Mal ein starkes Gefühl, und seine Stimme klang hart, als er sagte: »Man sollte ihm seine Zulassung entziehen.«
»Aber da fehlt noch ein Puzzleteil«, sagte ich. »Da ist etwas, das ich überhaupt nicht verstehe: Was ist mit Donna passiert, als sie zu Ihnen in die Therapie kam? Was ist da schiefgegangen? Warum ist sie davongelaufen? Sie muß extrem wütend auf Sie gewesen sein, um sich derart an Ihnen zu rächen. Dafür muß es doch einen Grund gegeben haben.«
»Es gibt immer einen Grund. Die Menschen haben für jedes Verhalten einen triftigen Grund.«
Rita gibt auch manchmal solche Gemeinplätze von sich. Das muß eine Art Berufskrankheit sein.
»Na schön, aber was war Donnas Grund?«
»Lassen Sie es mich so sagen: Ich habe meine Sache in diesem Fall nicht besonders gut gemacht. Sie hat mich provoziert, das konnte sie sehr gut. Und ich habe sie dafür mit ein paar Dingen über sich selbst konfrontiert, und zwar viel zu direkt und viel zu früh.«
»Das ist Ihre Version. Aber was war mit Donna? Ich meine, ich habe schon viel über sie gehört, aber ich weiß nichts über ihre Beweggründe. Ich weiß, daß sie sich selbstverletzt hat, daß sie sich Haare ausgerissen hat, daß sie verrückte Geschichten erzählt und wilde Anschuldigungen erhoben hat. Diese Sachen hat sie immer wieder gemacht, aber ich verstehe nicht warum.«
Joel schüttelte nur leicht den Kopf und blieb stumm. Nach einer Weile sagte er dann: »Das sind vertrauliche Informationen.«
»Ich höre wohl nicht recht, Sie sind bereit, jemanden umzubringen, aber Ihre ethischen Grundsätze verbieten es Ihnen, über Donna zu reden?« Dabei klang meine Stimme vielleicht ein wenig schrill, obwohl Elaine sicher gesagt hätte, es hätte stark und überzeugend geklungen. Ich glaube allerdings nicht, daß das stimmt.
Er nickte, lächelte immer noch leicht und sagte: »Können wir jetzt zum Geschäftlichen kommen?«
»Natürlich. Ich dachte, ich frage sie einfach, wie wir jetzt vorgehen sollen. Mein Nachbar ist Polizist. Er ist auch ein Freund von mir, und das ist sein Fall. Er ist vielleicht ein wenig, äh, konservativ, aber er ist in Ordnung und wesentlich anständiger als die meisten. Ich kann mit ihm reden, oder Sie können es. Es wäre vielleicht sogar besser, wenn Sie's tun.«
»Selbstverständlich.« Er sah weder ängstlich noch wütend, noch niedergeschlagen aus, sondern nur - und ich brauchte ein paar Sekunden, um dieses Wort zu finden - stolz. »Geben Sie mir eine Woche Zeit. Für Kelly.«
»Einen Tag«, und diesmal klang meine Stimme gar nicht schrill, sondern fest und bestimmt.
»Vierundzwanzig Stunden.«
Ich nannte ihm Kevin Dennehys Namen und Dienststelle. Er versprach, alles niederzuschreiben, seine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, und sich dann Kevin zu stellen. Als ich ging, gaben wir uns zum Abschied die Hand.
Ist Anatomie Schicksal? Er nahm es wie ein Mann. Eine Frau? Eine starke Frau? Ein Mensch. Er nahm es wie ein Mensch, und das war es vielleicht, was mich störte. Während ich seine Praxisräume verließ und wieder den Weg um das Haus entlangging, hatte ich plötzlich, obwohl ich Joel mutig und offensiv gegenübergetreten war, das ernüchternde Gefühl, daß ich irgend etwas falsch gemacht oder verpaßt hatte. In diesem Moment trat Kelly Baker aus der Haustür und lief mir entgegen. Sie war offensichtlich während meiner Unterredung mit Joel im Haus gewesen, und ich wollte ihr jetzt eigentlich nicht begegnen.
»Holly, warten Sie einen Moment! Ich hab das hier seit einer Woche für Sie im Kühlschrank liegen.«
Sie hatte einen Parka übergeworfen, und in ihren behandschuhten Händen hielt sie ein in Aluminiumfolie eingewickeltes Päckchen.
»Das sind ein paar von diesen Petits Pains au Chocolat, die Sie so mögen. Ich habe kürzlich wieder welche gemacht und eine Portion für Sie aufgehoben.«
Wie konnte ich das annehmen, nachdem ich gerade ihr Leben zerstört hatte? Aber wie hätte ich es zurückweisen können, ohne ihr die Wahrheit sagen zu müssen? Also nahm ich das Päckchen an und sagte nur matt: »Danke.«
Ich stieg
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