Dem Killer auf der Fährte
Maine nicht vergessen würde. Natürlich hatte ich keinen Grund, wegen der Croissants mißtrauisch zu sein: Kelly war eine Minute, nachdem ich Joels Büro verlassen hatte, aus dem Haus gekommen. Joel hätte sich unmöglich an dem Gebäck zu schaffen machen können, selbst wenn er es gewollt hätte, denn er hätte einfach nicht die Zeit dazu gehabt.
Intelligente Hunde können es riechen, wenn Menschen die Absicht haben, aus dem Haus zu gehen, und sie zeigen sich dann sofort wild entschlossen, nicht zurückgelassen zu werden, so wie Kimi und Rowdy, die mich umsprangen und umtänzelten, während ich meinen Vater anrief, der sich erst nach mehrmaligem Läuten meldete. Im Hintergrund hörte ich ein kläffendes Geräusch.
»Was ist das für ein Lärm?« fragte ich ihn, denn Wolfsmischlinge kläffen nicht.
»Was?« fragte er zurück.
»Das Bellen.«
»Welches Bellen?« Er meinte es ernst. Mein Vater bemerkt das Kläffen und Bellen von Hunden ebensowenig, wie die meisten Menschen das Klopfen ihres eigenen Herzens.
»Da bellt doch ein Hund«, rief ich. »Ich verstehe dich nur sehr schlecht. Bist du in der Scheune?« Die Scheune war allerdings bereits seit langem keine Scheune mehr. Statt dessen gab es darin Verschlage, die sich nach außen auf eine Rennstrecke für die Hunde öffneten, eine Entbindungsstation mit mehreren Wurfkisten, einen Platz für das Scheren und Waschen, mit einer in den Boden eingelassenen Wanne, so daß man beim Baden der Hunde keine Rückenschmerzen bekommt, und einen kleinen Trainingsparcours mit aufgestellten Hindernissen, wo man es den ganzen Winter trocken und warm hat, wenn man mit den Hunden arbeitet. Meine Mutter hat die meisten Umbauten selbst durchgeführt. Wenn die Leute in Cambridge sagen »Wir haben unsere Küche neu eingerichtet«, oder »Wir haben eine Terrasse angelegt«, heißt das meistens nur, daß sie eine Menge Geld ausgegeben haben, aber Marissa hat die ganze Arbeit in der Scheune mit ihren eigenen Händen getan. Sie fehlt mir sehr.
»Warum schreist du denn so?« wollte Buck wissen.
Der Hund hatte endlich aufgehört zu bellen.
»Welcher Hund war das?« fragte ich.
»Eine Terrier-Kreuzung.«
»Kreuzung mit was?« Kreuzungen sind zwar Bucks Spezialität, aber sollte er tatsächlich einen Wolfs-Terrier gezüchtet haben?
»Weiß der Himmel.« Wenn Buck so etwas über einen Hund sagt, meint er es durchaus wörtlich. In den Büchern der Engel sind nämlich seiner Ansicht nach gar nicht so sehr die guten und schlechten Taten der Menschen, sondern vielmehr die Paarungen und Stammbäume der Hunde aufgezeichnet. Und deshalb beabsichtigt er, sein Leben nach dem Tod in der himmlischen Bibliothek, zu der selbstverständlich auch die Himmelshunde Zutritt haben, mit dem Studium der
Zuchtstammbücher zu verbringen. »Es ist aber eine reizende kleine Hündin«, fügte er noch hinzu. Genau dasselbe sagt er gelegentlich über mich.
»Ich würde sie gern kennenlernen. Wie wär's, wenn ich dich besuchen komme?«
»Ja, ich würde mich freuen, aber ich hab das Haus ziemlich voll im Moment.«
»Wohnt jemand in meinem Zimmer?«
»Ein Boxer«, war seine Antwort, und jemand anderer hätte vielleicht gedacht, daß es sich dabei um einen Faustkämpfer handeln würde, aber ich wußte es natürlich besser.
»Ich persönlich habe nichts dagegen einzuwenden, aber Rowdy könnte es nicht gefallen, und Kimi sogar ganz sicher nicht. Also gib dem Boxer ein anderes Zimmer. Es wird Zeit, daß du Kimi einmal siehst.«
Ich hatte ihm natürlich alles über sie erzählt, und er war froh, daß ich nun endlich zur Vernunft gekommen zu sein schien. Allerdings war er immer noch etwas besorgt um mich, denn so wie Faith Barlow sind ihm Menschen suspekt, die weniger als sechs oder acht Hunde besitzen. Wenn es nur um mich gegangen wäre, hätte er sich möglicherweise geweigert, den Boxer aus meinem Zimmer zu vertreiben, aber für Kimi und Rowdy machte er diese Zusage gern.
Nachdem ich die Hunde gefüttert und ihre Schüsseln gewaschen und eingepackt hatte, warf ich ein paar warme Kleidungsstücke für mich in eine Reisetasche und war gerade im Badezimmer, um meine Zahnbürste und ein paar Kosmetika - natürlich nur solche, die nicht an Tieren getestet waren - zu holen, als ich einen dumpfen Aufprall und ein kratzendes Geräusch aus der Küche vernahm.
Daß Hunde immer wieder die Lebensmittel der Menschen stehlen, ist ein schwerlösbares Problem im Zusammenleben mit ihnen. Die meisten Hundehalter haben sich
Weitere Kostenlose Bücher