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Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)

Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)

Titel: Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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hören.
    Doch es kommt anders. Professor K. schildert dem Gericht sein Vorhaben, Egidius S. in der Untersuchungshaft zu befragen, nachdem dieser endlich seine Zustimmung zur Begutachtung gegeben hatte. Leider wiederholt sich das, was bereits im Oktober 2007 geschah – der Sachverständige ist nicht erwünscht. Der Angeklagte lehnt es ab, das Gespräch ohne Rechtsbeistand zu führen, er verlangt die Anwesenheit seines Verteidigers. Das ist jedoch bei psychologischen Gutachten nicht üblich. Und so bleibt es Professor K. versagt, mit dem Angeklagten zu sprechen.
    Dem Schwurgericht sagt er nun, dass es unmöglich sei, ein psychiatrisches Interview zu führen, wenn der Begutachtete nicht frei und unbeeinflusst reden könne. Und genau dies wäre der Fall, wenn ein Anwalt die ganze Zeit dabei säße und insistiere. Und so hat das Gericht, haben die Zeugen und die Angehörigen keine Möglichkeit, sich ein fachmännisches Bild vom Geisteszustand des Angeklagten machen zu können.
    Als ob das noch nicht genug sei, stellt der Verteidiger nun den Antrag, den Gutachter als befangen abzulehnen.
    Als Begründung gibt er an, dass dieser beim ersten Befragungstermin im Oktober des vergangenen Jahres »aufdringlich und forsch« aufgetreten sei und zudem die angeblichen sadistischen Neigungen seines Mandanten ins Spiel gebracht haben soll. Außerdem habe er mehrmals versucht, seinen Mandanten überraschend und ohne anwaltlichen Beistand in der Justizvollzugsanstalt zu befragen.
    Der Oberstaatsanwalt äußert Unverständnis über diesen Befangenheitsantrag, muss ihn jedoch trotz alledem erst einmal prüfen.

Ist Egidius S. schuldfähig?
14. Prozesstag: Dienstag, 24. Juni 2008
    An diesem 14. Prozesstag kommt nun doch endlich der psychiatrische Sachverständige aus Berlin zu Wort. Seine Aussage wird mit Spannung erwartet, waren doch im Vorfeld die sadomasochistischen Praktiken des Angeklagten und seiner Ehefrau in epischer Breite in den Medien dargestellt worden, hatte die Ehefrau selbst ihr Sexualleben mit Egidius S. in den schillerndsten Farben dargestellt.
    Zuvor hat das Gericht den Befangenheitsantrag gegen Professor K. abgelehnt. Den Vorwurf der Verteidigung weist der Vorsitzende Richter zurück. Im Besucherbuch der Justizvollzugsanstalt, das der Richter eingesehen hat, sind für die fraglichen Tage keine Besucher eingetragen.
    Nun endlich darf Professor K. sprechen. Auch wenn er Egidius S. nicht befragen konnte, so kennt er doch die Prozessakten und hat den Angeklagten über Wochen hinweg vor Gericht erlebt. Auch wenn der Angeklagte keine »Vier-Augen-Exploration« zugelassen habe, so habe er doch »ein gutes Sichtfeld durch Zeugen, Polizei, Lebenslauf, seinen eigenen Aussagen, den Tathergängen und seinem Verhalten vor Gericht« gegeben.
    Der Psychologe erklärt dem Gericht, dass beim Angeklagten »keine seelische Abartigkeit« zu finden sei und auch »kein Zustand, der seine Schuldfähigkeit hätte beeinträchtigen oder vollends aufheben können«.
    Das heißt, dass keine Kriterien für eine verminderte Schuldfähigkeit vorliegen. Wenn die Kammer ihn im Urteil schuldig spricht, kann er voll zur Rechenschaft gezogen werden.
    Professor K. untermauert seine Aussage mit Fakten. Bei Egidius S. läge keine Bewusstseinsstörung vor. Auch Schwachsinn sei auszuschließen. S. verfüge über normale Intelligenz, er hat die Schule und verschiedene Berufsausbildungen erfolgreich abgeschlossen und berufliche Herausforderungen gemeistert. Auch andere Erkrankungen des Nervensystems lägen nicht vor, weder Schizophrenie noch Depressionen oder Alzheimer.
    Die von der Verteidigung angegebene Epilepsie, die nach einem Treppensturz entstand, als der Angeklagte vier Jahre alt war, sei ausgeheilt. Der Professor hat recherchiert. S. ist seit »40 Jahren anfallsfrei und kommt seit dem 18. Lebensjahr ohne Medikamente aus«.
    Der Gutachter hat sich auch eingehend mit den absurden Schutzbehauptungen des Angeklagten befasst, Verhör, Geständnis und Gefängnisaufenthalt hätten diesem Lustgewinn bereitet.
    »Sicher, falsche Geständnisse und unwahre Zeugenaussagen, die gibt es immer wieder«, sagt er dem Gericht. Ein Geständnis abzulegen, um »sich sexuell zu erregen«, das sei ein »netter Einfall«. Jedoch sei es psychologisch völlig abwegig von einem Heterosexuellen, auch wenn er S/M liebe, den ersehnten Lustgewinn durch männliche Wärter oder Polizisten herbeiführen zu wollen.
    Gehe man davon aus, dass Egidius S. ein heterosexueller Masochist sei,

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