Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
bekräftigt er am Ende des Tages: »Ich stehe zu meinem Wort!«
Am nächsten Tag wird das Verhör fortgesetzt. S. schildert detailliert, wie er Angelika S. die Hände fesselte, sie dann vergewaltigte und anschließend tötete. Warum er das gemacht habe, wollen die Beamten von ihm wissen. »Es sei so über ihn gekommen«, antwortet S. Er habe einfach »seine Geilheit« – so steht es im Protokoll – nicht zügeln können. Erwürgt habe er das Opfer dann, um »ein Problem« zu beseitigen.
Dies alles hören die erschütterten Angehörigen im Gerichtssaal nicht etwa vom Angeklagten selbst, der schweigt noch immer eisern, und wird dies auch weiterhin tun, sondern von den Polizisten, denen er alles erzählt hat. Vielleicht macht diese nüchterne Schilderung das Gehörte noch schlimmer, lässt es in seiner Unfassbarkeit umso finsterer erscheinen.
Egidius S. gibt eine Tat nach der anderen zu, es scheint ihm nichts auszumachen. Anzeichen dafür, dass ihm die Verhörsituationen masochistisches Vergnügen bereiten, können die Beamten nicht erkennen.
Am 21. August 2007 schließlich, einem kühlen, verregneten Dienstag, findet eine gespenstische Rundfahrt statt. Egidius S. hat zu einem der Kripobeamten Vertrauen gefasst. Jürgen D. sagt dem Gericht, dass er die Rolle des »Kumpels« gespielt hat, und das führt letztendlich dazu, dass S. noch weiteres Täterwissen offenbart. Der Mann führt die Beamten zu den Fundorten der jeweiligen Leichen. Aus dem Gedächtnis heraus findet er vier der fünf fast auf den Meter genau, fährt danach mit den Polizisten zu den Stellen, an denen er die Mädchen beim Trampen aufgelesen hat.
Nach den Polizisten hört das Gericht den Gutachter, der die DNA verglichen hat. Die Beweise sind unwiderlegbar. Die Spur, die an Angelika S.’ Leiche gefunden wurde, ist mit dem genetischen Fingerabdruck von Egidius S. identisch. Die Übereinstimmung beträgt Eins zu 520 Millionen.
Der Verteidiger insistiert. Zuerst moniert er, dass die Polizisten seinen Mandanten nach der Festnahme auf dem Revier nicht entsprechend der Vorschriften belehrt hätten. Dann stellt er ausschweifend Nachfragen zu Selbstverständlichkeiten. Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Geständnisses seines Mandanten kann er damit nicht wecken.
»… wie ein psychedelischer Tanzbär«
8. Prozesstag: Donnerstag, 8. Mai 2008
Heute sind weitere Zeugen geladen, die in der Zeit, als die Morde geschahen, Beobachtungen und Aussagen gemacht haben, die mit Egidius S. in Verbindung stehen könnten. Zudem hat das Gericht eine Gutachterin bestellt, die an den Untersuchungen der Tatortspuren in den 80ern beteiligt war.
Zuerst jedoch befragt der Vorsitzende Richter zwei Frauen, die das erste Opfer, Marion G., kannten. Gemeinsam gingen sie aus, besuchten Diskotheken im Umland.
Daniela S., heute 42 Jahre alt, erinnert sich noch gut. Immer donnerstags besuchten sie gemeinsam die Disko Dschungel in Richterich, einem nordwestlichen Vorort von Aachen. Samstags fuhren die Mädchen dann in die Rockfabrik . In der Diskothek sei ihnen des Öfteren ein merkwürdiger Mann aufgefallen. Nicht nur, dass er etwas älter war; was die Mädchen besonders seltsam fanden, war sein eigenwilliger Tanzstil. »Der […] tanzte komisch, wackelte so psychedelisch mit dem Kopf«, sagt die Zeugin. Sie hätten ihn »Tanzbär« genannt und sich ein wenig vor ihm geekelt.
»Schauen sie doch mal nach links, ist er das?«, fragt der Vorsitzende Richter die Zeugin und diese antwortet ohne zu Zögern: »Ja, das ist er«, obwohl seit den Begegnungen in der Diskothek viele Jahre vergangen sind.
Die zweite Zeugin, die im Anschluss befragt wird, war ebenfalls Besucherin im Dschungel . Auch sie erkennt den Angeklagten sofort als den »Tanzbären« wieder. Lauerte Egidius S. bereits in der Disko auf seine späteren Opfer? Hat er die Mädchen gezielt ausgesucht?
Nach den beiden Zeuginnen sagt die ehemalige Gutachterin des Landeskriminalamtes, Frau Dr. N. aus. Es geht um den Stand der Spurensicherung in den 80ern und insbesondere um das Schamhaar, das an der Leiche von Angelika S. gefunden wurde. Sie erklärt den Anwesenden, dass die Spurenlage damals »diffus« gewesen sei. Vieles passte nicht zusammen und so sei es schwierig gewesen, Zusammenhänge zwischen den Morden herzustellen.
Zu dem Schamhaar allerdings hat die Gutachterin interessante Neuigkeiten. Nachdem man in den 80er Jahren noch davon ausgegangen war, dass es eine andere Blutgruppe als die des Angeklagten aufweise, gilt
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