Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
aus welchen Gründen die Revisionsführer das Gesetz durch das Urteil als verletzt ansehen. Für diese Begründung haben sie einen Monat Zeit. Diese Frist beginnt, sobald ihnen das vollständige Urteil zugestellt wird. Hiermit ist etwa Anfang März zu rechnen.
Nur und erst wenn die Revisionen auch begründet werden, werden die Akten an den Bundesgerichtshof weitergeleitet. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist darum frühestens im Sommer 2006 möglich. […]
Auch das Gericht hätte im Fall L. unbegrenzte Sicherungsverwahrung angeordnet, wenn es denn möglich gewesen wäre. Doch die Richter mussten sich an geltende Gesetze halten. Sicherungsverwahrung ist eine freiheitsentziehende Maßnahme, die dazu dienen soll, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen. Sie wird zusätzlich zur Freiheitsstrafe angeordnet und nach deren Verbüßung vollzogen.
Da die Sicherungsverwahrung einen der schwersten Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte darstellt, den unser Strafrecht kennt, sieht das Gesetz strenge Voraussetzungen für die Anordnung vor:
Der Täter wurde wegen weiterer Straftaten vor der neuen Tat schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt.
Der Täter hat bereits wegen einer oder mehrerer Taten vor der neuen Tat die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt […]
Der Täter hat einen »Hang zu erheblichen Straftaten« […] und ist für die Allgemeinheit gefährlich.
Nach § 66 Absatz 4 des Strafgesetzbuches heißt es außerdem:
[…] Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind. […]
Im April 2006 zieht die Staatsanwaltschaft die Revision zurück. »Ich sehe keine Aussicht auf Erfolg nach dem Studium der schriftlichen Urteilsbegründung«, so Oberstaatsanwalt Holger Illing.
Auch Aylas Vater, einer der Nebenkläger, schließt sich auf Empfehlung seines Rechtsanwaltes an.
Die Rechtsanwältin von Aylas Mutter bewertet das bisher Erreichte. Die Gesetzeslage in solchen Fällen ist unzureichend. Man habe mit der angestrebten Revision erreichen wollen, dass dies überprüft und eventuell geändert werde.
Mario L. sitzt in Haft. Er muss vor den anderen Gefangenen geschützt werden. Bereits in der Untersuchungshaft, die er im Zwickauer Gefängnis zubrachte, wurde er strikt isoliert.
Ich sehe noch immer die Zellentür ohne Namensschild vor mir, höre die Durchsagen, alle Gefangenen in ihre Zellen zu bringen. Mit Sicherheit wird dies in dem Gefängnis, in dem L. heute seine Haftstrafe verbüßt, nicht anders sein. Ein Täter, der ein Kind missbraucht und umgebracht hat, steht in der Gefängnishierarchie auf der untersten Stufe.
Kann L. geheilt werden? Die Prognosen in solch einem Fall wie seinem sind eher ungünstig. L. hat im Fall Ayla genauso wenig Reue gezeigt wie im Fall der Ermordung der alten Frau.
Der Sachverständige Dr. P., der L. für die Anklage begutachtet hat, hat Mario L. solange als »gefährlich für die Allgemeinheit« eingestuft, solange es ihm nicht gelingt, die »Gewalttaten schonungslos aufzuarbeiten und daran anschließend aktiv und vorbehaltlos an einer Psychotherapie mitzuwirken«.
Laut einer Studie der Kriminologischen Zentralstelle e. V. zur Rückfälligkeit von Sexualstraftätern gibt es Kriterien, die als Risikomerkmale für weitere Straftaten dienen können (Ausgangsstudie »Legalbewährung und kriminelle Karrieren von Sexualstraftätern«, Prof. Dr. Rudolf Egg & Jutta Elz, 1987).
Dies sind zum Beispiel:
(mehrere/einschlägige) Vorstrafen […]
geringes Alter bei erstem Sexual- bzw. Bezugsdelikt […]
(auch) kindliche Opfer (bei sex. Gewalt) […]
mehrere Opfer […]
kein Rauschmitteleinfluss (bei der Tat)
Allgemein gilt unter den Fachleuten, dass schwer persönlichkeitsgestörte, sadistische Täter, die so genannten bösartigen Narzissten, äußerst schwierig zu prognostizieren sind. Dazu kommt, dass sich der Gefangene zu einer Therapie bereitfinden muss, um überhaupt Heilungschancen zu haben. Zwingen kann man ihn nicht. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen die Täter lediglich ihre Haftstrafe »absitzen«, ohne jemals den Versuch einer Behandlung gemacht zu haben.
Auch L. verweigert sich.
Manche Gegenstände von Ayla wurden nie gefunden. Bis heute ist offen, ob L. diese als Trophäen behalten hat.
L. war zur Tatzeit 37 Jahre alt. Geht man davon aus, dass bei besonderer Schwere der Schuld frühestens nach 18 Jahren Haft
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