Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
Bild – Zeitung ein bizarrer Artikel über ihr Zusammenleben mit Egidius S.
Er erwürgte fünf Frauen, sie folterte ihn – Das schrecklichste Ehepaar Deutschlands lautet die Überschrift.
Die Zeitung trägt dick auf: »Er soll der ›Würger von Aachen‹ sein, einer der schrecklichsten Frauenmörder der deutschen Justizgeschichte. Sie war seine brutale Sex-Herrin, folterte ihn bis zur Ohnmacht.«
Anke S. wird zitiert: »[…] Er stand auf Sadomaso-Sex. Ich wurde seine Herrin. Wir schlossen einen Sklavenvertrag. […] Wir bauten uns im Keller einen Folterraum. Mit Holzbock, Ketten und so. Jeden Mittwoch hatten wir unsere Sitzungen. Manchmal einen ganzen Tag lang. Er wurde häufig ohnmächtig, hatte schwere Wunden.«
Im Internet findet sich im Online-Portal von Bild ein Video zum Prozessauftakt.
Anke S. geht durch ein Wohnzimmer, hat einen grünen Aktenordner dabei. Man sieht, wie sie die Aktenmappe öffnet und einen Zeitungsartikel mit dem Foto ihres Mannes hervorholt. Die Ehefrau hat tatsächlich die gesamte Berichterstattung über ihren Mann fein säuberlich abgeheftet und katalogisiert.
Auf dem Bildschirm ist jetzt ein Foto von Anke S. in weißer Bluse und schwarzen Hosen zu sehen. Sie trägt eine schwarze Halbmaske, hält ein Seil in den Händen, über ihrem linken Arm hängt eine Kette.
Laut den Aussagen von Anke S. hat Egidius S. sogar einen schriftlichen Sklavenvertrag mit seiner Frau abgeschlossen.
Aufgrund dieses Vertrages jedoch könne er diese Taten gar nicht begangen haben, glaubt die Ehefrau laut Kommentar. Dann spricht Anke S. wieder selbst: »In diesem Vertrag ist festgelegt, dass er mich also in keinem Fall belügen darf, weil das die Trennung zur Folge hätte. Und solange ich mit meinem Mann zusammen bin – und das sind jetzt 13 Jahre, hat er mich nich einmal belogen.« Ihre Lider flattern dabei und sie schließt immer wieder für Sekunden die Augen – ein Zeichen dafür, dass ihre Aussagen nicht wahr sind? Ein stotternder Blick und/oder geschlossene Augenlider werden in der nonverbalen Kommunikation als Anzeichen dafür gewertet, dass der Betreffende nicht die Wahrheit sagt.
Sie endet mit den Worten: »Also es wird so sein, dass egal, was passiert, es auf jeden Fall in irgendeiner Form eine gemeinsame Zukunft geben wird.«
»Der Prozess geht weiter. Egidius S. droht die Höchststrafe, lebenslange Haft plus Sicherheitsverwahrung«, schließt die Kommentatorin.
Was mag eine Frau dazu bewegen, in aller Öffentlichkeit so über ihren Mann zu reden? Was mögen die Klassenkameraden des gemeinsamen Sohnes, der gerade mal neun Jahre alt ist, davon denken?
Am nächsten Prozesstag soll Anke S. selbst gehört werden.
2. Prozesstag: Freitag, 18. April 2008
Der 18. April ist ein angenehmer Frühlingstag. Gegen Mittag werden knapp 15 Grad erreicht, es regnet nicht, sogar die Sonne kommt ab und zu heraus.
Nur wenige Sekunden braucht Egidius S., um den Gerichtssaal zu durchqueren und auf der Anklagebank Platz zu nehmen; Sekunden, in denen alle Blicke auf ihm ruhen, die der Angehörigen der Opfer, die der Zuschauer, die der Presse. Egidius S. jedoch hat den Blick zu Boden gerichtet.
Heute beginnen die Zeugenbefragungen. Geladen sind unter anderem die drei Ehefrauen des Serienmörders.
Ist Egidius S. ein Masochist? Ist er ein Sadist? Ist er womöglich beides? Die Fragen werden sich wie ein roter Faden durch die Vernehmungen des heutigen Freitags ziehen.
Anke S. ist nicht erschienen. Ein Attest entschuldigt ihr Fernbleiben. »Angstzustände, Schlafstörungen und Depressionen« suchen sie angeblich heim. Der Vorsitzende Richter wundert sich. Hat er doch die Ehefrau noch am Vorabend bei drei verschiedenen Fernsehsendern gesehen, wie sie Interviews gab und die Thesen des Verteidigers von Domina und Untergebenem bekräftigte.
»Haben Sie gestern mal mit Frau S. gesprochen?«, fragt der Vorsitzende Richter den Freund von Anke S.’ Stieftochter im Zeugenstand. Dieser möchte dazu nichts sagen: »Wir reden kaum über den Prozess«, ist seine lapidare Antwort.
Ein Verwandter berichtet, dass Anke bei der Lektüre des Bild – Artikels einen Weinkrampf bekommen habe. »Jetzt kann ich ja nicht mehr vor die Tür gehen«, habe sie geäußert. War ihr das nicht vorher klar?
Dann wird die erste Ehefrau des Angeklagten, eine 49-jährige Krankenschwester, befragt. Er sei anfänglich immer »nett, hilfsbereit, höflich und zuvorkommend« gewesen, sagt sie. Die Zeugin und der Angeklagte heiraten 1979.
Nach der
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