Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
bei den Ermittlungen eine große Rolle. Sie wurden von einem Sachverständigen der Vereinigten Glaswerke untersucht, welcher herausfand, dass sie aus Sekurit-Autoglas bestehen.
Danach hört das Gericht Zeugen zum Mord an Andrea W., die zum Zeitpunkt ihres Verschwindens gerade mal 15 Jahre alt war.
Der 43-jährige Bruder ringt um Fassung, als er die Ereignisse des Tages an dem seine Schwester nicht nach Hause kam, schildert. »Mit dem Prozess stürzt alles wieder auf mich ein. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll«, sagt er dem Gericht. Zum Zeitpunkt der Tat war er selbst 19 und absolvierte eine Ausbildung bei der Polizei. Er beschreibt, wie die Eltern am nächsten Tag verzweifelt die Gegend nach ihrer Tochter absuchen, sogar in die Disko fahren, in der Andrea W. am Abend zuvor gewesen ist, und wie die Familie am Mittag die furchtbare Nachricht erhält, dass Andrea tot aufgefunden wurde. Die Mutter habe das Schicksal ihrer Tochter bis heute nicht verwunden, schließt Andreas Bruder.
Andrea W.s Vater weint im Gericht. »Für uns stirbt unsere Tochter jetzt zum zweiten Mal«, sagt er im Anschluss. »Andrea war ein lebenslustiges Mädchen. Sie war eine Kämpferin. Seit ihrem Tod ist unsere Familie zerstört.«
4. Prozesstag: Freitag, 25. April 2008
An diesem Freitag hat das Gericht neben weiteren Angehörigen und Freunden der Opfer auch den Ermittlungsrichter vorgeladen, der an jenem Tag im August 2007 Dienst hatte, als Egidius S. nach der Verhaftung und ersten Vernehmung vorgeführt wurde.
Wieder geht es darum, die absurde Theorie des Verteidigers zu widerlegen, S. habe sich aus reinem Masochismus zu den Taten bekannt, weil ihn die polizeilichen Vorgänge und die Aussicht auf die Haft erregten.
Und so fragt der Vorsitzende Richter seinen Kollegen, ob Egidius S. »froh« zu sein schien, als er ihm vorgeführt wurde. Dieser verneint. »Er saß mir direkt gegenüber und war ruhig.« Der Angeklagte habe sich der Situation angemessen verhalten, sei gefasst gewesen. Genauso wie viele andere vor ihm.
Egidius S. trägt heute rot. In seinem roten Pullover sitzt er wie schon die Tage zuvor auf seiner Bank und hört ungerührt zu, was die Zeugen dem Gericht erzählen. Keine Regung zieht über sein breites Gesicht, als Mutter und Schwester von Angelika S. sie als »tolles« und »intelligentes« Mädchen schildern.
Margit, die Freundin, die am 31. August 1984 gemeinsam mit Angelika in der Diskothek Rockfabrik in Übach-Palenberg war, weint, als sie von dem Abend berichtet. Heute ist sie 38 Jahre alt und doch nimmt die Erinnerung sie noch immer so mit, dass sie die Tränen nicht zurückhalten kann. Angelika sei ein liebenswerter, geradliniger Mensch gewesen. Und dann war sie plötzlich »für immer weg«.
Auch der Freund von Marion L., die das vierte Opfer des Serienmörders wurde, schildert das Zusammenleben mit seiner Freundin. Wahrscheinlich fiel Marion Egidius S. nur zum Ofer, weil ihr das Kleingeld für den Bus fehlte und sie deshalb beschloss, zu trampen.
Im Anschluss an die Zeugenbefragungen stellt der Anwalt des Angeklagten mehrere Beweisanträge zu den Fällen Marion G. und Andrea W. Damit will er »Widersprüche in der Beweisführung« der Staatsanwaltschaft aufdecken. Nach seiner Meinung treffen die hier aufgelisteten Fakten nur teilweise oder gar nicht zu. Mit den neuen Beweisen will der Verteidiger das Geständnis seines Mandanten »zerreißen«.
»Ich werde das bei allen weiteren Fällen fortsetzen«, schließt der Anwalt seine Ausführungen.
Egidius S.’ Verteidiger will einen Hinweis gefunden haben, der an der Täterschaft seines Mandanten Zweifel wecke. An der Leiche des dritten Opfers, Angelika S., hatten die Ermittler zwar Spermaspuren des Angeklagten gesichert – was nach Ansicht des Verteidigers lediglich beweist, dass Egidius S. mit ihr Verkehr hatte – jedoch wurde auch ein einzelnes Schamhaar eines Unbekannten gefunden. Die Blutgruppe dieses Schamhaars ist sehr selten und stimmt nicht mit der von Egidius S. überein.
Der Rechtsanwalt sieht nun eine Verbindung zu einem Mann, der im Mordfall Andrea W. im Jahr 1984 von der Polizei überprüft worden ist. Dieser habe dieselbe seltene Blutgruppe gehabt, wie sie an dem Schamhaar gefunden wurde. Daher komme dieser Mann zumindest in einem Fall als Mörder infrage. Dazu komme noch, dass der Mann sich 1987 umgebracht habe. Der Verteidiger will von einem Abschiedsbrief gehört haben, in dem sich jener Mann des Mordes bezichtigt habe. Jedoch wisse
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