Dem Leben Sinn geben
bedeutungslos, aber vollgestopft mit Erinnerungen. Und er kann neuen Dingen seine ganze Leidenschaft widmen: Dem Smartphone in seiner jeweils aktuellen Version zum Beispiel, das er nicht mehr aus der Hand legt.
Eine liebevolle Beziehung zu materiellen Dingen, die ideell etwas bedeuten, ist bedeutsam für die Kunst des Wohnens, A rs habitandi , und beeinflusst die Auswahl von Möbelstücken: Mit ihnen lässt sich das Leben einrichten, manche aber wirken abweisend und verweigern jegliches Wohnen. Ein Wohnen im kleineren Format wird durch die Liebe zur Handtasche möglich, denn in diesem Wohnzimmer der weiblichen Seele (Annette C. Anton, Handtaschenbuch , 2006) repräsentieren materielle Dinge die ideellen Werte, die für das individuelle Leben Bedeutung haben: Ein Bild des Liebsten und der Kinder, Erinnerungsstücke von Reisen, Einkaufszettel für die alltägliche Fürsorge, Farbe fürs Gesicht und etwas Wohlduftendes für die Pflege der Beziehung zu sich und Anderen.
In solchem Maße prägt der Umgang mit Dingen, die dem Leben Sinn geben, das Menschsein, dass sich sagen lässt: Zeige mir die Dinge, mit denen du lebst, und ich sage dir, wer du bist. Das gilt für die relativ unbeweglichen Dinge, mit denen Immobilien ausstaffiert sind, wie auch für die relativ beweglichen Dinge, die Menschen mit sich herumtragen. Das Leben mit Dingen und ihren Bedeutungen vermittelt ein Gefühl von Vertrautheit und Geborgenheit, denn die Dinge ruhen in sich und haben ein großes Beharrungsvermögen. Sie sind unaufgeregt, diskutieren nicht und denken nicht über alles nach. Als Fixpunkte des Lebens stützen sie die Gewohnheiten, in denen Menschen wohnen können. Im Umgang mit den vertrauten Gegenständen kann der ideelle Wert der Gelassenheit zur Wirklichkeit werden: »Alle guten Dinge haben etwas Lässiges und liegen wie Kühe auf der Wiese« (Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches II, 1879, 1, »Vermischte Meinungen und Sprüche«, 107).
Überkreuzungen verschiedener Arten von Liebe werden möglich: Wer in seiner Beziehung zu einem anderen Menschen eine pragmatische Auffassung von Liebe pflegt, kann imGegenzug Dinge, die ihm wichtig und »heilig« sind, mit romantischer Innigkeit lieben. Aber die Liebe zu Dingen ist nicht ohne Gefahren: Als Dritte können sie eine Beziehung zwischen zweien irritieren und durchkreuzen, einhergehend mit Eifersuchtsszenen: »Liebst du mich oder dein iPhone?« Außer Lieblosigkeit ist auch Liebestollheit möglich, mit den üblichen Problemen einer überschießenden Intimität: Auf starke Anziehung folgt heftige Abstoßung. Ein Problem wirft auch hier der abstumpfende Alltag auf, in dem die Dinge kaum noch als Wesenheiten eigener Art wahrgenommen werden, obwohl es ausreichende Indizien dafür gibt, dass sich ihre Eigenarten markant auf die Seinsweise von Menschen auswirken (Roger-Pol Droit, Was Sachen mit uns machen. Philosophische Erfahrungen mit Alltagsdingen , 2003).
Fragen der Macht spielen eine große Rolle: Menschen machen umstandslos von der Macht Gebrauch, mit der sie auf Dinge einwirken können, die nicht in der Lage sind, sich zu wehren, wenn sie an die Wand geworfen werden, stellvertretend für Andere, die schwerer zu bewegen sind. Andererseits scheinen Dinge selbst zu einer Ausübung von Macht in der Lage zu sein, vermutlich ohne Bewusstsein, aber das kann angesichts der Boshaftigkeit, mit der es zuweilen geschieht, leicht bezweifelt werden: Mit dem Ärger, den sie zur Unzeit machen, zahlen sie mit gleicher Münze heim, dass sie selbst geärgert werden. Gleitet einem Menschen eine Tasse aus der Hand, durchzuckt ihn gelegentlich der Verdacht, dass sie ihn nicht mochte: Absurder Gedanke, der vielleicht davon ablenken soll, dass er sie nicht mochte.
All das Gesagte gilt aber auch noch für die sonderbaren Dinge, die unter dem Namen »Geld« versammelt sind. In mancherlei Hinsicht haben Menschen damit ihre liebe Not.
D ie Liebe zum Geld. Macht Geld glücklich?
In der Moderne haben diese Dinge ungeheuer an Bedeutung gewonnen: Materiell in Form von Geldstücken, Papierscheinen, Plastikkarten, Zahlen auf Kontoauszügen, die für sich genommen völlig belanglos sind. Von Belang ist das Ideelle , sind die Ideen, Vorstellungen, Zwecke, Ziele, Phantasien, die damit verknüpft werden, etwa die Hoffnung auf Freiheit, Unabhängigkeit, schöne Erlebnisse, Glück, attraktive Lebensmöglichkeiten, seltener auch darauf, Werte wie Gerechtigkeit mit Geld zu verwirklichen.
Um für ihre Ideen Geld
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