Dem Leben Sinn geben
sie ihnen auch egal. Bei einigen derer, die viel und zu viel haben, kommt eine vergleichbare asoziale Haltung zum Vorschein, wenngleich aus ganz anderen Gründen: Sie brauchen die Gesellschaft nicht, also ist sie ihnen egal. Allen Erfolg verdanken sie nur sich selbst, wie sie glauben. Zweifellos ist ihre Eigeninitiative ein treibender Faktor, die Gesellschaft profitiert davon kräftig. Aber sie verkennen häufig, dass gute Geschäfte auf der Einbettung in eine Gesellschaft beruhen, auf guter Bildung, guten Verkehrswegen, Kommunikationsmöglichkeiten, Rechtsinstitutionen, innerer und äußerer Sicherheit, sozialem Frieden und der Kaufkraft vieler. Dazu tragen viele Menschen mit ihrer Arbeit und ihren Geldern etwa in Form von Steuern bei.
Oft ist das Gegenargument zu hören, der Staat sei eine solche Zumutung an Ineffizienz, dass ihm die Steuerzahlungen verweigert werden müssten; der Einzelne bestimme besser selbst über diese Mittel. Aber es ist unfair, die Effizienz des im Auftrag der Gesellschaft arbeitenden Staates an der eines Unternehmens zu messen: Aufgabe des Staates ist es, zwischen den widersprüchlichsten Interessen zu vermitteln, um die Verhältnisse zum Wohle aller immer neu auszutarieren, Bürgerkrieg zu vermeiden und ein effizientes Wirtschaften zu ermöglichen, damit die Gelder fließen, mit denen wiederum staatliche Leistungen finanziert werden können, die in der Regel kostenintensiv sind. Die Menschen, die aus Kostengründen von Betrieben entlassen werden, kann der Staat nicht seinerseits irgendwohin entlassen. Als die äußerst effizient arbeitende Finanzwirtschaft infolge ihres Flash Crash 2008 am Rande des Abgrunds stand, suchte auch sie Zuflucht bei Staat und Gesellschaft, die die selbsternannten »Masters of the Universe« mit ihren astronomischen Verlusten gerne ins All entsorgt hätten.
Geld ist der materielle Träger der modernen Idee von Freiheit. Wer darüber verfügt, erfährt in gesteigertem Maße die Freiheit von –, frei von Abhängigkeiten und lästigen Notwendigkeiten. Er kann machen, was er will, abgesehen davon, dass er nicht immer weiß, was er will. Das allein ist jedoch noch kein Leben, schon gar kein gesellschaftliches Leben, keinerlei Bindung und Beziehung kommt so zustande. Die Freiheit bedarf einer Formgebung, einer Freiheit zu – , nämlich zur Verwirklichung bestimmter, ausgewählter Möglichkeiten, die schön und bejahenswert erscheinen. Es kann sich um materielle oder ideelle Möglichkeiten handeln, im besten Fall um beide zugleich, um sinnvolle Dinge zu verwirklichen. Von Bedeutung ist die Freiheit zu außerdem als Freiheit zur Begrenzung überbordender Möglichkeiten, um nicht willkürlich »für alles Mögliche« Geld auszugeben. Mit Lebenskunst und individueller Ethik kann der Einzelne sich selbst um Formen bemühen, bevor er durch eine demokratisch ermittelte Ethik und eine entsprechende Gesetzgebung auf Normen verpflichtet wird.
Es liegt im Eigeninteresse der Besitzenden, die Interessen Anderer zu berücksichtigen, um länger als nur für einen Moment die Früchte ihrer Freiheit genießen zu können. Geld ist immer Geld in einer Gesellschaft, in der diejenigen, die zuwenig haben, nicht dauerhaft darüber hinwegsehen können, dass Andere zu viel haben: Ursprung aller Robin-Hood-Geschichten , die von Rächern der Armen und Enterbten erzählen. Nur die Besitzenden sind an stabilen Verhältnissen interessiert, die Nicht-Besitzenden naturgemäß nicht. Um materiellen Besitz bewahren zu können, ist es erforderlich, klug, rücksichtsvoll, umsichtig, vorsichtig und vorausschauend damit umzugehen. Interessant sind außerdem Möglichkeiten, die nicht von Geld und Besitz abhängen: Freiheit kann nicht nur das Freisein mithilfe von Geld und Besitz, sondern auch das Freiwerden davon sein, eine Unabhängigkeit anderer Art. Sie wirkt spürbar auf das eigene Selbst und seine Beziehungen zu Anderen zurück.
Wie steht es vor diesem Hintergrund um die Idee des Glücks, dieses ideellen Dings, das besonders hartnäckig mit materiellen Dingen namens Geld verknüpft wird? Macht Geld glücklich? Es kann dazu beitragen, bis zu einem gewissen Grad. Was das konkret in Zahlen auf Kontoauszügen heißt, ist eine spannende Frage, eine Antwort darauf muss jedoch jeder für sich selbst finden, in Kenntnis der beiden großen Gefahren im Umgang mit Geld: Zu wenig oder zu viel davon zu haben. Das Zuviel kann so problematisch sein wie das Zuwenig, irgendwo dazwischen liegt das persönliche
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