Dem Leben Sinn geben
ausgeben zu können, brauchen Menschen allerdings zunächst Ideen, insbesondere Geschäftsideen, um zu Geld zu kommen: »Geld ist ein Abfallprodukt von Ideen«, verlautbarte per Interview ein Investor, der es wissen muss (Harm Müller-Spreer, Berlin, 2008). Zum Problem wird im Gegenzug das Fehlen von Ideen, denn entweder kommt so kein Besitz zustande oder es fehlt ihm, wenn er zustande kommt, an Ideen, wie ihm Sinn zu geben wäre. Gute Ideen sind nicht immer bei denen zu finden, die sonst schon alles haben. Materiell reich ist nicht gleichbedeutend mit ideell reich, materiell arm nicht mit ideell arm, auch eine Form von Gerechtigkeit. Durch Tauschhandel lässt sich die Situation im Prinzip gut bewältigen.
Erst durch das Hinzukommen von ideellen Dingen, von Geist in diesem Sinne, gewinnt Geld Sinn und Bedeutung; es ist nicht von selbst schon davon durchdrungen. Geld kann zur Sinngebung im Leben beitragen, wenn etwas Sinnvolles damit angestellt werden kann. Als Selbstzweck hat es keinen Sinn, und wenn es nicht sinnvoll eingesetzt werden kann, wirkt dies irgendwann auf den Besitzenden zurück, dem sein Besitzund womöglich sein ganzes Leben sinnlos erscheint. Geld als Lebensinhalt wird zum Sand, der durch die Finger rinnt.
Mit dem wachsenden Wohlstand in moderner Zeit scheint dies die Erfahrung vieler zu sein: Kaum ist die drückende materielle Not überwunden, die das menschliche Leben lange prägte, bricht die ideelle Not auf, nach dem Sinn fragen zu müssen, auf den der bloße Besitz materieller Mittel noch keine Antwort gibt. Die Klärung ideeller Fragen ist die Voraussetzung für die Sinngebung, und die ist eine Sache der geistigen Arbeit, geleitet von Fragen wie: Wozu will ich Geld verdienen? Wofür will ich es ausgeben? Welche Bedeutung hat das Verdienen und Ausgeben für mich und Andere? Wozu überhaupt Geld?
Ein allgemeiner Sinn des Geldes kann in seiner Stellvertreterfunktion gesehen werden: Geld erleichtert Tauschgeschäfte und reduziert Komplexität, um nicht mit einem Rucksack voller Kartoffeln zum Arzt gehen und auch sonst über Leistung und Gegenleistung ständig neu verhandeln zu müssen. Immer dann, wenn das Geld »abgeschafft« wird, müssen aus diesem Grund Ersatzwährungen eingeführt werden, denn sonst bleibt wieder nur der Tauschhandel übrig, der mühsamer vonstattengeht als dessen durch Geld vermittelte abstrakte Form.
Man kann es auch zugespitzter sagen: »Das Geld wurde erfunden, damit die Menschen einander nicht in die Augen blicken müssen« (Jean-Luc Godard, Film Socialisme , Frankreich 2011), aber niemand ist verpflichtet, das für einen Nachteil zu halten. Die soziale Funktion ist dennoch ein weiterer Sinn des Geldes: Menschen kommunizieren in dieser Sprache, einer teilt dem Anderen etwas mit, mit dem Preis für ein Produkt wie auch mit dessen Kauf (daher die Liebe zu Markenprodukten), mit der Buchung eines bestimmten Hotels und überhaupt mit dem erkennbaren Aufwand für die Lebensführung. Gelderlaubt Menschen, einer ihrer Lieblingstätigkeiten nachzugehen: Sich zu unterscheiden, abhängig nur davon, dass viele die Bedeutung des Geldes anerkennen. Ansonsten erfüllen bunte Steine denselben Zweck.
Ein wichtiger Sinn ist die Speicherfunktion , um mit Geld gesicherte Lebensbedingungen für sich und die Familie zu schaffen, das Leben im Alter abzusichern, nicht in unerwünschte Abhängigkeiten zu geraten oder sich daraus wieder zu befreien, gebunden allerdings daran, dass der Wert des Geldes erhalten bleibt. Geld kann eine Art von Lebensmittel für schlechtere Zeiten sein, wenngleich die Vorratshaltung, wie jede andere, unsinnige Ausmaße annehmen kann: Ein Kühlschrank mit mehr als einem Stück Butter kann noch sinnvoll sein, eine Wohnung voller Butter ist es nicht mehr.
Vor allem aber dient Geld dazu, Potenz zu speichern . Es ist potentia im Wortsinne, ein Verfügen über Möglichkeiten, Macht in diesem Sinne. Das macht einen guten Teil der Erotik des Geldes aus, dafür wird es heftig geliebt, und viele unternehmen vieles, um in seinen Besitz zu gelangen. Sein ontologischer Drall weist immer in Richtung Möglichkeiten: Es repräsentiert sie und es wird vorzugsweise dort investiert, wo Möglichkeiten vermutet werden. Aktualisiert wird die Potenz aber nicht etwa nur in der Ökonomie der großen Zahlen, sondern auch im kleinen Alltag moderner Menschen, beispielsweise beim Einkaufsbummel, beim Shoppen , bei dem mit der Möglichkeit gespielt wird, Dinge kaufen zu können, und auf dieses
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