Dem Leben Sinn geben
möglichen Abgründe des individuellen Lebens.
In verschiedenen Zusammenhängen sind Kumpane vonBedeutung: Im Militärischen ist die Kompanie von alters her die überschaubare Gruppierung, in der alle zusammenstehen. Sollte es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommen, ist jeder Einzelne existenziell darauf angewiesen, sich in gefährlichen Situationen absolut auf die anderen Mitglieder der Gruppe verlassen zu können. Sinn beziehen Soldaten daher auch kaum je aus dem Grund oder Zweck ihres Einsatzes, viel häufiger aus der starken Erfahrung ihrer Schicksalsgemeinschaft. Im modernen Leben abseits des Militärs geht es stattdessen um die company und die companions , die einander begleiten, wenngleich sie als Teilhaber eines Unternehmens im ökonomischen und juristischen Sinne oft nur ein funktionales Verhältnis zueinander unterhalten. Im privaten Bereich handelt es sich um eine Unternehmung im anderen Sinne, ein Zusammensein im Pulk, eine Gruppenfreundschaft, die keine funktionale Interessengemeinschaft ist, sondern eine Kumpanei , bei der Kumpel und Kumpane treu und zuverlässig zusammenstehen. Das gilt freilich auch für kriminelle Gemeinschaften und kann entsprechende Missverständnisse nach sich ziehen: Als der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt 1978 im Restaurant Kronenhalle in Zürich seinem Gegenüber ein Buch mit der Widmung »An meinen alten Kumpan Max« überreichte, konsultierte Max Frisch umgehend seinen Rechtsanwalt. Der bestätigte ihm, dass ein Kumpan ein Verbrecher sei, und so wies Frisch das Buch mit humorloser Empörung zurück: Er lasse sich nicht als Verbrecher bezeichnen.
Der empfindsame Schriftsteller hätte sich zweifellos gewünscht, als Kollege angesprochen zu werden. Typisch für Kollegen ist nicht die verschworene Gemeinschaft, sondern die respektvolle Partnerschaft unter Gleichen, sofern sie einander als »gute« oder sogar »großartige« Kollegen betrachten. Kollegen können gute Freunde sein, jedenfalls sind sie wie Freunde gesinnt , also freundlich , entgegenkommend, einfühlsam und herzlich. Eine Freundlichkeit steht oft am Beginn dieser Beziehung: Mir fällt auf, dass da ein Mensch ist, der anders ist, mich nicht missachtet und nicht auf mir »herumhackt«. So entsteht ein anfängliches Vertrauen, das zur Annäherung ermuntert. Bei allem freundschaftlichen Anklang liegt der Schwerpunkt der kollegialen Beziehung zweifellos auf der Kooperation . In der Schule, an der Universität, am Arbeitsplatz, in jedem Lebensbereich macht Zusammenarbeit das Leben leichter, Kreuz- und Querverbindungen mit Anderen kommen problemlos zustande. Der direkte und indirekte Nutzen ist offenkundig, und doch steht er nicht im Vordergrund, wichtiger erscheint die Freude an der wechselseitigen Aufmerksamkeit, am Austausch und an der Auseinandersetzung, die als spannend erfahren wird, sofern die Spannungen nicht allzu groß werden.
Mit freundlichen Kollegen vertrauensvoll zusammenarbeiten zu können und ihre Anerkennung zu erfahren, ist Teil eines sinnerfüllten Lebens. Ohne Kollegialität und Anerkennung sind Menschen hingegen einer Erfahrung von Sinnlosigkeit ausgesetzt: Das ist das eigentliche Problem des Mobbings . Selbst in asymmetrischen Verhältnissen von Macht, Autorität und Kompetenz sollten Elemente von Kollegialität erfahrbar bleiben, um nicht die Funktionalität allein dominieren zu lassen, die niemanden erfüllt.
Gesellschaftliche und technische Neuerungen erweitern im 21. Jahrhundert die Formen der Kollegialität. Mit der Zusammenarbeit vieler Menschen in Sozialen Netzwerken entsteht eine digitale Kollegialität , eine elektronische Nutzenfreundschaft und Geschäftsbeziehung, mit der privat und beruflich Gebrauch von Internet-Plattformen gemacht werden kann. Derdigitalen Kollegialität sind keine persönlichen, räumlichen und zeitlichen Grenzen mehr gesetzt: Zahllose Menschen können, ohne sich persönlich kennen zu müssen, mit digitalen Mitteln weltweit rund um die Uhr zusammenarbeiten. Beispielhaft dafür ist die Arbeit an der Online-Enzyklopädie Wikipedia , an der sehr viele beteiligt sind, deren Beiträge wiederum von Administratoren begutachtet werden, um Qualitätsstandards aufrechtzuerhalten. Auch das nichtkommerzielle Computer-Betriebssystem Linux ist das Produkt zahlloser freier Mitarbeiter, die global per Internet kommunizieren, mit einer organisierenden Zentrale, die über die Aufnahme von Vorschlägen entscheidet. Zu ihrer Sache machen viele Interessierte ebenso die
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