Dem Leben Sinn geben
Arbeit an reCAPTCHA , einem Programm zur Digitalisierung alter Bücher und Zeitschriften, die einem breiten Publikum frei zugänglich gemacht werden sollen.
Stärke durch Kooperation ist ein Prinzip, das die Evolution schon lange kennt; nur unter Menschen gerät es immer wieder vorübergehend in Vergessenheit. Wiederentdeckt und erneuert wird es auf dem Weg in eine andere Moderne etwa in der Form eines parallelen Arbeitens in Coworking Spaces , die an vielen Orten geschaffen werden, beispielsweise in einem ehemaligen Fabrikgebäude wie dem 2009 eröffneten »Betahaus« am Moritzplatz in Berlin. Menschen mit den verschiedensten Berufen, Unternehmen aus unterschiedlichsten Wirtschaftszweigen mieten Räume oder auch nur Schreibtische, dauerhaft oder auf Zeit (»Fix- oder Flexdesking«), und können auf Fluren, durch offene Türen und in Gemeinschaftscafés Ideen und Informationen austauschen, Anregungen geben und aufgreifen, gemeinsame Projekte entwickeln. Die vielfältige wechselseitige Inspiration ermöglicht kreative Lösungen für komplexe Probleme: Schwarmintelligenz entsteht eben nicht nurdigital, sondern weiterhin auch analog. Niemand muss sich als Einzelkämpfer fühlen, dessen Einzelintelligenz sich erfahrungsgemäß in Grenzen hält, auch wenn dies gerne anders wahrgenommen wird.
Über den Kollegenkreis hinaus prägen kooperative Beziehungen in größerer Zahl seit jeher die Bekanntschaft und Nachbarschaft . Neben guten und sehr guten Freunden gehören gute Bekannte und nette Nachbarn zu den Beziehungen eines Menschen, die zum Sinn in seinem Leben beitragen können, wenn er sich auch nur ein wenig darum bemüht. Das gelingt nicht bei jedem Nachbarn, aber grundsätzlich sind die meisten Menschen an einem guten Umgang miteinander interessiert, der ihnen das Gefühl verschafft, kein sinnloses Leben zu führen, sondern in ihrer Existenz wahrgenommen zu werden und am allgemeinen Leben teilzuhaben. Erforderlich ist dafür lediglich, dass der Einzelne Andere wahrnimmt und sie hier und da an seinem Leben teilhaben lässt, wenigstens ein wenig aus der Anonymität alltäglicher Begegnungen hervortritt und gelegentlich ein freundliches Wort für Andere übrig hat. Nicht selten scheint der Weg zum Anderen allerdings endlos weit zu sein, mag es auch nur der Weg zur nächsten Haustür sein; aus guten Gründen spricht Johannes Bobrowski in seinem Gedicht »Sprache« von 1963 ( Wetterzeichen , Gedichte, 1966) vom
(…) müden Mund
auf dem endlosen Weg
zum Hause des Nachbarn
Das Netz kooperativer Verflechtungen wird dichter in einer Gesellschaft, die das ehrenamtliche Engagement fördert. Erleichtert wird das Kennenlernen Anderer und die Kontaktaufnahmedurch Gelegenheiten, wie individuelle und institutionelle Initiativen sie schaffen können. Öffentliche Räume, Cafés, Restaurants, Plätze, Sportplätze, Bahnhöfe, Märkte, Straßenfeste, kulturelle Veranstaltungen aller Art vergrößern die Wahrscheinlichkeit von Begegnungen. Auch dann, wenn es nur bei einer äußerlichen Wahrnehmung Anderer bleibt, wird für den Einzelnen fühlbarer, dass er in Zusammenhängen mit ihnen lebt. Einen eigenen öffentlichen Raum kann jeder auf elektronische Weise mit einem Twitter-Account herstellen, der 2006 erstmals nutzbar wurde und kurze Textnachrichten von höchstens 140 Zeichen zu versenden erlaubt. Mit Tweets , einem »Zwitschern« in zwei oder drei Sätzen von minimalextensiver Geschwätzigkeit oder maximalintensiver Verdichtung, die einer mit leichter Hand in sein Gerät tippt und ohne Zeitverzug weiterreicht, kann eine Anzahl von Followern erreicht werden, die diese Beiträge abonnieren und damit an den Erfahrungen, Beschreibungen und Gedanken des Autors teilhaben, der sich selbst als Follower für die Beiträge Anderer interessiert. Wer mehr zu sagen hat, schreibt ein Web-Logbuch ( Blog ), ein Online-Tagebuch, das anders als die Tagebücher alter Zeiten aus freien Stücken einem mehr oder weniger großen Leserkreis zugänglich gemacht wird. Auch Informationen, Meinungen, Nachrichten, die in anderen Medien blockiert werden, lassen sich auf diesem Weg verbreiten.
Jede Steigerung der Zuwendung zueinander ist über den privaten Raum hinaus von Bedeutung für den Zusammenhalt in der Gesellschaft . Der kann nicht allein von juristischen Regelwerken und funktionalen Beziehungen bewerkstelligt werden, sondern ist darauf angewiesen, dass möglichst viele durch kooperative Beziehungen miteinander verbunden sind. Zwar bedürfen die
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