Dem Pharao versprochen
es dir auch wirklich gut?«, fragte sie besorgt.
»Ich fühle mich ausgezeichnet«, antwortete Anchesenamun. »Nur meine Beine sind durch das lange Liegen dünn und schwach geworden.«
»Aber du hast kein Bauchweh mehr.«
»Nein, schon lange nicht mehr.«
»Dann bin ich beruhigt«, sagte Selket und strich ihr Haar zurück. Anchesenamun fiel in diesem Moment auf, wie sehr ihre Freundin ihrer Mutter ähnlich sah. Das Kinn, die runden Wangen, der liebevolle Blick …
»Ich freue mich schon sehr auf dein Kind«, sagte Selket. »Ob es dir oder Tut ähnlich sieht? Ach, ich kann es kaum erwarten, es in die Arme zu nehmen! Nur zu schade, dass ich nicht seine Amme sein kann.« Sie hob bedauernd die Schultern. »Aber es ist eben kein Mann in Sicht, was soll ich da tun? Von alleine werde ich nicht schwanger.« Sie kicherte.
»Wie geht es eigentlich Duamutef?«, fragte Anchesenamun und bemühte sich, ihre Stimme möglichst beiläufig klingen zu lassen. Sie hatte bei der Frage ein etwas schlechtes Gewissen, denn eigentlich hatte sie der Göttin Isis ein heimliches Gelübde geleistet: Wenn sie ihr Kind behielt, dann wollte sie sich Duamutef aus dem Kopf schlagen. Aber kaum ging es ihr besser, wanderten ihre Gedanken wieder häufiger zu ihrem alten Freund …
Das ist ja nur eine harmlose Frage und hat nicht viel zu bedeuten, redete sich Anchesenamun ein. Warum soll ich mich nicht nach ihm erkundigen? Schließlich sind wir zusammen aufgewachsen.
Selket machte ein ernstes Gesicht. »Ich mache mir ein wenig Sorgen um ihn. Meine Mutter hat erzählt, dass er neulich nachts betrunken in Waset aufgegriffen worden ist. Er hat sich mit einem anderen Mann geprügelt, und fast hätte es eine Messerstecherei gegeben.« Sie seufzte. »Es ist eigentlich gar nicht seine Art, dass er sich prügelt. Du kennst ihn ja, er ist ein friedlicher Mensch. Aber er hat sich in der letzten Zeit verändert, das sagt auch Mutter. Vor allem trinkt er sehr viel. Das ist nicht gut, denn er ist schon mehrmals zu spät zu seiner Arbeit gekommen, weil er erst seinen Rausch ausschlafen musste. Ein Kollege hat ihn bisher immer gedeckt, zum Glück. Sonst hätte er vielleicht schon seine Arbeit verloren.«
Anchesenamun war richtig erschrocken. »Hat er sich bei der Prügelei verletzt?«
»Ein blaues Auge und ein paar Schrammen, nicht weiter schlimm. Aber die Polizei hat ihn verhört und ihn verwarnt. Wenn er in der nächsten Zeit noch einmal auffällt, wird er bestraft.«
Anchesenamun drehte ihren Becher in der Hand. »Weiß man denn den Grund, warum sich Duamutef dauernd betrinkt?«
Selket verdrehte die Augen. »Nein, er spricht nicht darüber, was ihn bedrückt. Mutter hat auch schon versucht, den Grund seines Kummers herauszufinden. Aber du weißt ja, wie die Männer sind: Sie leiden und schweigen.«
Das Gespräch wurde unterbrochen, denn jetzt näherten sich zwei Dienerinnen, begleitet von einem jungen Mann in auffallend bunten Kleidern. Er war geschminkt wie eine Frau, trug goldene Ohrringe, und seine nackten Arme waren geschmückt mit zahlreichen Tätowierungen.
»Was ist denn das für ein komischer Vogel?«, wunderte sich Anchesenamun. »Wer hat ihn in den Palastgarten gelassen?«
Der Mann löste sich von den Dienerinnen, lief voraus und warf sich vor Anchesenamun auf die Knie.
»Seid gegrüßt, Schönste aller Königinnen! Euer prächtiges Haar ist dunkler als die Nacht, und Eure Klugheit leuchtet wie die Sonne am Himmel! Es ist mir eine Ehre, heute mit Euch sprechen zu können! Wie lange habe ich mich schon nach diesem Augenblick gesehnt!«
Anchesenamun nickte huldvoll, obwohl sie Selket gerne zugeflüstert hätte: »Was für ein Schwätzer!« Aber die Höflichkeit gebot ihr zu schweigen.
Jetzt wandte sich der junge Mann an Selket. »Und wer seid Ihr, schöne Frau? Mich dünkt, Ihr gehört zur Königin wie der Mond zur Sonne.« Er verneigte sich auch ehrfürchtig vor Selket. Diese konnte ein Kichern nicht unterdrücken.
»Ich bin zwar nur eine Dienerin, aber es schmeichelt mir, was Ihr sagt. – Nun, was ist Euer Begehr? Was führt Euch hierher?«
»Ich wollte der schönen Königin meine Dienste anbieten«, sagte der Mann mit einem feinen Lächeln. »Ich bin nach Waset gekommen, weil ich hörte, dass Ihr guter Hoffnung seid, edle Königin.« Er neigte erneut den Kopf. »Ich will mich keineswegs aufdrängen, aber vielleicht interessiert Euch das Geschlecht und die Zukunft Eures Kindes. Ich bin ein Sterndeuter und komme aus dem Osten. Die
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