Dem Pharao versprochen
jede bekommen, die er wollte.
Doch in Ejes Kopf tauchte immer nur das Bild einer einzigen Frau auf, die er immer begehrenswerter fand: Anchesenamun. Sie war so wunderschön, so anmutig. Die Art, wie sie sich bewegte, wenn sie durch den Garten spazierte. Ihre grünen Augen, ihr schlanker Hals, an dem die Geschmeide glitzerten … Was für eine Wonne musste es sein, das Lager mit ihr zu teilen.
Von Tag zu Tag wurde Ejes Begehren größer. Er liebte diese Frau, er wollte sie besitzen! Und je weniger sie ihn beachtete, desto größer wurde seine Sehnsucht.
In seinem Kopf begann sich nach und nach ein böser Plan zu entwickeln. Eje wollte an Tuts Stelle treten, aber dazu musste der Pharao sterben.
Es musste wie ein Unfall aussehen, und niemand durfte Verdacht schöpfen, dass in Wahrheit ein Mordanschlag dahintersteckte. Eje kannte Tuts Vorliebe für schnelle Pferde und seine Neigung zur Raserei. Und er wusste auch, wie leicht sich an einem Streitwagen ein Rad lösen konnte …
Bei den Mahlzeiten saßen sich Tutanchamun und Anchesenamun wie Fremde gegenüber. Sie wechselten kaum ein Wort miteinander. Tuts Miene war hart und verschlossen. Anchesenamun wusste, dass er sie mit Verachtung strafte. Mittlerweile hatte sie aufgegeben, um seine Liebe zu ringen. Es war ihr egal, wenn er nachts nicht mehr zu ihr kam. Manchmal dachte sie an das, was Imara vermutete: Dass sie mit Tut niemals gesunde Kinder haben würde. Und dass sie Tut betrügen musste, um einen Thronfolger zu gebären.
Doch im Augenblick wünschte sie sich keine Schwangerschaft. Sie wollte nicht schon wieder bangen und hoffen und dann unter Schmerzen ein Kind zur Welt bringen. Im Moment fiel es ihr ohnehin schwer genug, den Alltag zu bewältigen. Es gab Tage, an denen sie gar nicht aufstehen wollte – und wäre Selket nicht da, dann würde sie bis zum Abend im Bett liegen bleiben. Selket sorgte auch dafür, dass sie regelmäßig aß und sich an der frischen Luft bewegte, damit ihre Kräfte zurückkehrten. Noch immer war Anchesenamun sehr blass und hatte oft dunkle Ringe unter den Augen. Es mangelte ihr an Lebenslust, und tief im Innern wusste sie auch den Grund dafür: Es lag nicht nur an Tuts Lieblosigkeit. Die wahre Ursache war, dass Duamutef noch immer nicht nach Waset zurückgekehrt war.
Hatte er es sich anders überlegt? Hatte sie seine Liebe inzwischen verloren? Warum kam keine Nachricht von ihm, was ihn aufgehalten hatte?
Anchesenamun machte sich tausend Gedanken. Sie überlegte sogar, ob sie zu einem Wahrsager gehen sollte, um Auskunft zu erhalten. Doch dann erinnerte sie sich daran, wie ungenau die Aussagen dieser Leute oft waren und wie viele Betrüger es gab. So unternahm sie nichts, sondern malte sich in ihrer Phantasie die verschiedenen Möglichkeiten aus. Hatte Duamutef eine andere Frau getroffen und sich verliebt? Oder war ihm unterwegs nach Waset etwas Schlimmes zugestoßen?
Anchesenamun war inzwischen davon überzeugt, dass er nicht mehr kommen würde. Offenbar wollten die Götter diese Liebe nicht …
»Du lachst kaum noch«, stellte Selket eines Tages fest. »Ich verstehe ja, dass du traurig bist. Aber das Leben geht weiter, und es gibt so viele schöne Dinge …« Sie streichelte ein kleines Kätzchen, dass sie Anchesenamun mitgebracht hatte – in der Hoffnung, dass es die Königin von ihrem Kummer ablenken würde. Das Tier war wirklich bildhübsch: weiß mit einem eleganten dunklen Gesicht. Selket hatte der Katze den Namen Bastet gegeben nach der Göttin.
»Hier, nimm sie mal!« Entschlossen setzte Selket Bastet auf Anchesenamuns Schoß. »Ist sie nicht süß? Sie war die neugierigste Katze aus dem Wurf. Ich habe gedacht, Bastet würde dich ein wenig aufmuntern …«
Anchesenamun lächelte. Sie ließ ihre Hände über das zarte Fell gleiten. Die Katze begann zu schnurren. Dann fing sie an, an Anchis Fingern zu lecken.
»Ach Selket!« Anchesenamun seufzte. »Ich würde mich ja gern freuen, aber mein Herz ist so schwer wie ein Felsblock. Alles erscheint mir so … so ohne Sinn. Ich bin die Königin, aber Tut behandelt mich wie Luft, und ich weiß nicht, wie ich das ändern kann. Ich weiß auch gar nicht, ob ich das ändern will. Meine Liebe zu ihm ist erloschen, und ich glaube nicht, dass sich das Feuer noch einmal entfachen lässt. Er hat zwei Seiten, Selket. Manchmal ist er sehr liebevoll und fürsorglich, dann wiederum ist er brutal und rücksichtslos. Ich mag seine dunkle Seite nicht, sie macht mir Angst, vor allem,
Weitere Kostenlose Bücher