Dem Sieger eine Handvoll Erde
zuging.
Johnny Harlow machte keinen Versuch, seine Anwesenheit zu verbergen. Er schwenkte unternehmungslustig seine kleine Segeltuchtasche und ging quer über den Parkplatz auf eines der riesigen Ungetüme zu. Auf den Seiten und der Rückfront des Transporters stand in großen Lettern das Wort ›FERRARI‹. Harlow versuchte gar nicht erst festzustellen, ob die Tür vielleicht nicht verschlossen war, sondern brachte einen Bund merkwürdig geformter Schlüssel zum Vorschein. Ein paar Sekunden später öffnete er die Tür des Transporters. Er stieg ein und sperrte die Tür hinter sich zu. In den nächsten fünf Minuten tat er nichts anderes als wechselweise aus den Fenstern auf beiden Seiten zu schauen und immer wieder geduldig zu überprüfen, ob sein unberechtigtes Eindringen beobachtet worden war. Offensichtlich hatte ihn jedoch niemand gesehen. Zufrieden holte Harlow seine Lampe aus der Segeltuchtasche, schaltete das rote Licht ein, beugte sich über den am nächsten stehenden Ferrari und begann ihn ganz genau zu untersuchen.
An diesem Abend waren etwa dreißig Leute in der Hotelhalle, unter ihnen Mary MacAlpine und ihr Bruder, Henry und die rothaarigen Rafferty-Zwillinge. Die Lautstärke der Unterhaltung war beachtlich: Einige der Grand-Prix-Teams hatten sich für das Wochenende in dem Hotel niedergelassen, und dieses Völkchen ist nicht gerade für seine Zurückhaltung bekannt. Alle – hauptsächlich Fahrer, aber auch einige Mechaniker – hatten ihre Arbeitskluft mit einer der Tageszeit angemessenen Kleidung vertauscht und warteten auf das Abendessen, das in einer Stunde serviert werden würde. Vor allem Henry sah in seinem grauen Nadelstreifenanzug mit der roten Rose im Knopfloch hochelegant aus. Er schien sogar seinen Schnurrbart gekämmt zu haben. Mary saß neben ihm, und ein paar Meter von ihnen entfernt saß Rory und las eine Illustrierte oder tat wenigstens so. Mary saß schweigend und mit ernstem Gesicht da und drehte einen ihrer Spazierstöcke zwischen den Händen, die sie inzwischen benutzte. Plötzlich wandte sie sich an Henry.
»Wo geht Johnny bloß jeden Abend hin? Neuerdings sehen wir ihn nach dem Abendessen kaum noch.«
»Johnny?« Henry rückte die Rose in seinem Knopfloch zurecht. »Keine Ahnung, Miss. Vielleicht möchte er lieber allein sein. Vielleicht schmeckt ihm auch woanders das Essen besser. Ich weiß es nicht.«
Rory hielt sich immer noch die Illustrierte vor das Gesicht. Allerdings sah man an seinem starren Blick, daß er nicht las. Augenblicklich konzentrierte er sich völlig auf sein Gehör.
»Vielleicht ist es nicht nur das Essen, was ihm anderswo besser gefällt«, sagte Mary.
»Sie meinen Mädchen, Miss? Johnny Harlow hat kein Interesse an Mädchen.«
Er schielte sie mit einem Blick an, den er offensichtlich für schelmisch hielt und von dem er glaubte, daß er zu seiner vornehmen Aufmachung paßte. »Ausgenommen natürlich eine gewisse junge Dame.«
»Seien Sie nicht albern.« Mary MacAlpine war nicht immer ein sanftes Reh. »Sie wissen genau, was ich meine.«
»Was meinen Sie denn, Miss?«
»Stellen Sie sich doch nicht so dumm, Henry.«
Henry setzte die Miene des ständig Verkannten auf.
»Ich bin eben dumm.«
Mary strafte ihn mit einem kalten, abschätzenden Blick und wandte sich abrupt ab. Rory verbarg sich schnell wieder hinter seiner Illustrierten und tat, als lese er eifrig. Er machte ein sehr nachdenkliches Gesicht, und der Ausdruck, der die Nachdenklichkeit überlagerte, war kaum als freundlich zu bezeichnen.
Im Schein der abgeschirmten roten Lampe wühlte Harlow in einer Kiste mit Ersatzteilen. Plötzlich richtete er sich etwas auf, lauschte, machte die Lampe aus, glitt zu einem Seitenfenster und spähte hinaus. Es war schon fast ganz dunkel, aber der gelbliche Mond, der immer wieder zwischen einzelnen Wolkenfetzen hindurchschimmerte, erleuchtete die Szene durchaus ausreichend. Zwei Männer kamen quer über den Parkplatz auf den Coronado-Transporter zu, der weniger als sechs Meter von dem Wagen entfernt stand, hinter dessen Seitenfenster Harlow Beobachtungsposten bezogen hatte. Er hatte keinerlei Schwierigkeiten, die beiden Männer als MacAlpine und Jacobson zu identifizieren. Harlow glitt zur Tür, sperrte sie auf und öffnete sie gerade so weit, daß er die Tür des Coronado-Transporters sehen konnte. MacAlpine steckte gerade den Schlüssel ins Schloß und sagte »Es besteht also kein Zweifel. Harlow hat also nicht phantasiert. Der vierte Gang ist also
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