Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dem Tod auf der Spur

Titel: Dem Tod auf der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
Vom Netzwerk:
getrübt, die Augenbindehäute wie ausgewaschen, blass, nicht mehr beurteilbar.
Die gesamte Oberhaut (soweit vorhanden, s. u.) von Kopf und Hals (einschließlich Gesicht und behaarter Kopfhaut) fäulnisverändert, grünlich-gräulich, erweicht und leicht ablösbar.
Fehlen von Haut- und Weichteilstrukturen im Bereich der Nasenspitze und des Nasenrückens. Freiliegen des knöchernen Nasenskeletts und der Nasenscheidewand.
Freiliegen des jauchig erweichten Unterhautgewebes im rechten Kieferwinkelbereich. Entsprechender Befund unterhalb des Kinns in der linksseitigen Wangenregion mit Freiliegen der Kiefermuskulatur. Der Blick auf die Zähne des linken Oberkieferquadranten liegt frei.
Die rechte Ohrmuschel intakt. Beide Ohrläppchen nicht angewachsen, keine präformierten Löcher im Sinne von Hinweis auf früher getragenen Ohrschmuck.
Die linksseitige Ohrmuschel weist grobfetzige Defekte in ihren äußeren Anteilen auf, keine Unterblutungen, das hier freiliegende Weichgewebehellgrünlich-gräulich imponierend (dieser Defekt grobsichtig sehr wahrscheinlich auf postmortalen Tierfraß zurückzuführen).
Eigenes, festsitzendes Gebiss des Oberkiefers. Der erste Schneidezahn des rechten Unterkieferquadranten fehlt, das dazugehörige Zahnfach ist offen. Im linken unteren Quadranten vollständiges, eigenes Gebiss. Zum Zahnstatus s. »B. INNERE BESICHTIGUNG«.
Am Kinn noch vereinzelte schwärzlich-dunkelbräunliche Bartstoppeln (bis 0,2 cm lang) erkennbar.
Schmierige, pastellartige Erweichung der Halseingeweide, soweit von der Abtrennungsstelle her einsehbar.
Im Nackenbereich bis 16 Zentimeter langes, dunkles, vermutlich vormals bräunliches Haar, leicht ausziehbar.
Die Wundränder am Hals teilweise relativ glatt begrenzt, teilweise auch grobfetzig, teilweise (bei eingeschränkter Beurteilbarkeit durch Leichenfäulnisveränderungen) von einem bandartigen, bis 0,5 cm breiten Vertrocknungssaum (Schürfungszone) umgeben; in dem darunter freiliegenden Weichgewebe des Halses grobsichtig keine Unterblutungen feststellbar.
Vereinzelt kleinere Muscheln im Bereich der Wundrandanteile an der Kopfunterseite bzw. Abtrennungsstelle des Kopfes am Hals (werden asserviert).
In den äußeren Gehörgängen schwärzlichbräunliches, körniges Material, grobsichtig Sand und Kies entsprechend (Material wird asserviert).
    Und? Haben Sie als interessierter Laie etwas verstanden? Was denken Sie, wie dieser Mensch wohl zu Tode gekommen ist? Eines ist Ihnen sicher aufgefallen: Es ist nur von einem Kopf die Rede. Der Grund dafür ist ebenso einfach wie unheimlich – wir hatten nur den Kopf!
    Es war ein Sonntagnachmittag im Herbst, als Spaziergänger den Kopf am Elbstrand entdeckten. Für sie, die in sonntäglicher Idylle die Landschaft und die frische Luft genießen wollten und aller Wahrscheinlichkeit nach noch nie zuvor einen Toten aus der Nähe gesehen hatten, muss es eine grausige Erfahrung gewesen sein. Denn der Anblick, der sich uns bot, als der Kopf auf dem Sektionstisch lag, war auch für uns keineswegs alltäglich:
    Leichenfäulnisprozesse hatten das Gesicht fast aller Konturen beraubt. Nur an den Bartstoppeln konnte man erkennen, dass es sich um den Kopf eines Mannes handeln musste. Die Haare waren zum Großteil ausgefallen, daher ließ sich die Haarlänge nicht eindeutig feststellen, und auch in Bezug auf die Haarfarbe konnten wir nur mutmaßen. Zudem hatte das Wasser die Haut des Kopfes aufgeweicht und die Gesichtshaut in eine graue Substanz verwandelt, die an Gummi erinnerte. Die glasigen, nahezu pupillenlosen Augen quollen aus den Höhlen hervor. Die Hornhäute waren trübund hatten ihren Glanz völlig verloren. Im Bereich der Abtrennungsstelle hatten sich bereits Muscheln angesiedelt. Fische und andere Meerestiere hatten Gewebeteile aus dem einen Ohr herausgebissen, und durch die zunehmende Verwesung lagen auf der linken Seite Kiefermuskulatur und Backenzähne frei, was den Mund zu einer schaurigen Grimasse verzerrte.
    Spricht man bei einem einzelnen abgetrennten Kopf eigentlich von einer Leiche?
    Ja, denn als Leiche gilt nach den Bestattungsgesetzen einiger Bundesländer auch ein Körperteil, ohne den ein Mensch nicht lebensfähig ist, wie z. B. der Kopf oder der kopflose Rumpf. Andere Organe oder Gliedmaßen, wie z.B.Arme oder Beine, gelten hingegen als »Leichenteile«, sofern sie nicht aus medizinischen Gründen operativ entfernt, also amputiert wurden – in dem Falle spricht man von »Amputaten«. Wann immer also ein Kopf ohne

Weitere Kostenlose Bücher