Dem Tod auf der Spur
Körper gefunden wird, werden sofort Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Rechtsmedizin eingeschaltet, da allein das Fehlen des Körpers auf einen nicht-natürlichen Tod hindeutet.
Also musste unser rechtsmedizinisches Team bei der Obduktion des am Elbstrand gefundenen Kopfes dasselbe tun wie bei jedem vollständigen Leichnam: Hinweise zur Todesursache, zur Identifizierung und zum Tat- bzw. Geschehenshergang finden. Und natürlich war zu klären, ob der Mann, dessen Kopf wir untersuchten, vor oder nach seinem Tod enthauptet worden war.
B. INNERE BESICHTIGUNG
I. KOPFSEKTION
Eröffnen der Kopfschwarte über einen im Hinterhauptsbereich von Ohr zu Ohr gesetzten Schnitt: die Kopfschwarte ohne Unterblutungen.
Kreisförmiges Eröffnen des knöchernen Schädeldaches mit der oszillierenden Knochensäge. Kein fremder Inhalt zwischen innerem Schädeldach und harter Hirnhaut; kein fremder Inhalt zwischen harter Hirnhaut und der Oberfläche des (durch Fäulnis) in der Schädelhöhle zurückgesunkenen Gehirns.
Das Schädeldach wird abgehoben. Die harte Hirnhaut wird mit einem Spatel vom inneren Schädeldach gelöst; sie ist unauffällig und weist grobsichtig keine Blutanlagerungen auf.
Inspektion der Innenseite des knöchernen Schädeldaches: Die Pfeilnaht von der Schädelinnenseite her nicht vollständig knöchern verschlossen.
Die Hirnmasse muss aufgrund ihrer Erweichung zum Teil mit einem Löffel aus dem Schädelinneren entnommen werden.
Entnahme der noch vorhandenen Halsweichteile (Zunge, tiefer Rachen, Kehldeckel und Zungenbein) über einen von der Abtrennungsstelle des Kopfes bis unter die Kinnspitze mit einem Skalpell geführten Schnitt.
Das Zungenbein im Übergangsbereich zwischen den Hörnern und dem Körper beiderseits beweglich (noch erhaltene knorpelige Verbindung zwischen den im Übrigen knöchern angelegten Strukturen). Das umgebende Weichgewebe wird vorsichtig mittels einer Schere schichtweise abgelöst, es ist – abgesehen von Fäulnisveränderungen – unauffällig. Blutungen lassen sich mit dem bloßen Auge nicht abgrenzen.
Die Halsschlagadern weisen zarte Gefäßwandinnenschichtverhältnisse auf.
Der erste und zweite Halswirbel werden unter Durchtrennung ihrer Bandverbindungen von der Schädelbasis abgelöst. Beide Wirbelkörper sind grobsichtig unauffällig, sie weisen keine Beschädigungen auf. Unauffälliger Aspekt der Wirbelsäulenschlagadern. Der Wirbelkanal beider zuvor genannter Wirbel leer, das Rückenmark fehlt. Beide Halswirbel werden tiefgefroren asserviert.
Vielleicht haben Sie es aus dem Protokollauszug schon herausgelesen:Vitalitätszeichen, die uns in unserem Fall hätten zeigen können, ob der Kopf antemortal – also vor dem Tod – oder postmortal abgetrennt worden war, fanden sich bei der Obduktion nicht. Zwar ist es prinzipiell möglich, aufgrund der Wundstruktur bei Fällen von Enthauptung relativ genaue Aussagen zu treffen, auf welche Weise der Kopf abgetrennt wurde, z. B. mittels einer Säge, einer Axt oder eines Beils, denn alle diese Werkzeuge hinterlassen charakteristische Spuren anWeichgewebe und Knochen. Dazu aber waren in unserem Fall die Weichteile der Abtrennungsstelle am Kopf zu stark verfault, zudem hätte das Wasser alle Unterblutungen, wenn es sie denn an den Wundrändern gegeben hätte, ausgewaschen.
Auch den Todeszeitpunkt konnten wir wegen der langen Zeit, die der Kopf im Wasser gelegen hatte (»postmortales Intervall«), und der daraus resultierenden Fäulnisveränderungen nicht mehr näher eingrenzen. Wäre der Kopf wenige Stunden nach Abtrennung bei uns auf dem Sektionstisch gelandet, hätte man eventuell noch eine vorsichtige Einschätzung des Todeszeitpunktes durch die Messung der Hirntemperatur vornehmen können. In den achtziger und neunziger Jahren wurden experimentelle Daten zu Todeszeit bzw. Leichenliegezeit und dem postmortalen Abfall der Hirntemperatur erhoben, die gegebenenfalls hätten hilfreich sein können.
Anhand des Ausmaßes der Fäulnisveränderungen und der Muschelbesiedlung konnten wir immerhin schätzen, dass sich der Kopf zwischen zwei und fünf Wochen im Wasser befunden haben musste. Eine grobe Schätzung, mehr war nicht möglich. Und ebenso wenig entdeckten wir bei der Obduktion Hinweise darauf, wie es zum Tod des Mannes und zur Enthauptung (»Dekapitation«) gekommen sein könnte. Doch auch in solchen Fällen folgt im Obduktionsprotokoll auf die Auflistung zu äußerer und innerer Besichtigung immer das vorläufige
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