Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dem Vaterland zuliebe

Dem Vaterland zuliebe

Titel: Dem Vaterland zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
hatte er gehört, seine eigenen.
    Als die Besatzung sich achtern sammelte und er seine Urkunde entrollte, sah Tyacke, wie die Männer sich zuflüsterten. Die das eben gesehen hatten wollten es denen beschreiben, die nicht dabeigewesen waren. Der Kommandant mit dem Narbengesicht und der einbeinige Koch.
    Die Offiziere, die hinter ihm standen, waren fast alle zu jung, um davon zu wissen. Doch York, der Master, und der Erste Offizier wußten sehr genau, was das eben bedeutet hatte.
    Und als Tyacke mit dem Verlesen begann, lehnten sich beide vor. Es schien, als gäbe der Mann mit dem geraden Rücken der Formalität neuen Sinn und neuen Inhalt.
    Die Urkunde war ausgestellt auf James Tyacke, Hochwohlgeboren. Sie befahl ihn an Bord der
Indomitable
an diesem Apriltag 1811. Nicht sehr weit weg von dem Platz, an dem Drake, der Überlieferung nach, zuerst sein Spiel mit Kugeln auf dem Gras beendet hatte und die eigene Flotte und der spanische Gegner warten mußte.
    Wir wünschen und erwarten, daß Sie sofort an Bord gehen und die Befehlsgewalt und das Kommando als Kapitän übernehmen. Sie werden die Offiziere der Indomitable und die Mannschaften streng leiten und führen … Bei diesen Worten schaute Tyacke in die Menge der Gesichter unten. Die alte Indom. Aber der einbeinige Koch war nirgendwo zu sehen. Hatte er die Begegnung nur geträumt? Vielleicht war Troughton lediglich eine Erscheinung gewesen, die ihm die notwendige Kraft geben wollte.
    Schließlich war das alles vorbei. Es hatte mit der üblichen Warnung geendet. Eher mit einer Drohung: Von diesen Vorschriften werden weder Sie noch einer Ihrer Männer abweichen – unter Androhung von Strafe und auf eigene Gefahr.
    Er rollte die Urkunde zusammen und rief: »Gott schütze den König!«
    Kein Jubeln, kein Laut war zu hören. Zu jeder anderen Gelegenheit hätte ihn solche Stille erdrückt.
    Er setzte den Hut wieder auf und sah nach oben. An der Großmaststenge würde bald zum ersten Mal Sir Richard Bolithos Flagge auswehen.
    »Lassen Sie die Männer wegtreten, Mr. Scarlett. Und dann möchte ich in einer Stunde gern alle Offiziere in meiner Kajüte begrüßen – bitte.«
    Die Leute da unten unterhalb der Reling dachten nur an ihre eigene Zukunft und nicht an die des Schiffes.
    Noch nicht.
    Und trotz der Stille fühlte er sich erhaben und erleichtert – wie sonst selten. Dies hier war nicht seine geliebte
Larne,
sondern ein neuer Anfang – für ihn und für das Schiff.
    Leutnant Matthew Scarlett ging nach achtern und musterte dabei das Schiff. War alles sauber? Waren die Netze für die Hängematten leer, waren alle Leinen bis zum nächsten Morgen aufgeschossen? Die Luft, die durch offene Luken in sein Gesicht wehte, war kalt. Das Schiff ruckte für seine Größe sehr unruhig an der Ankerleine.
    Er hatte gehört, wie der Master während der Hundewache einige der »jungen Herren« unterrichtete. »Wenn die Möwen nachts niedrig über die Felsen fliegen, haben wir am nächsten Tag schlechtes Wetter – egal, was neunmalkluge Matrosen Ihnen sonst sagen.« Die beiden jüngsten Midshipmen hatten sich zweifelnd angeblickt. Aber die Möwen voraus waren niedrig geflogen, gerade als sich die Nacht über das ankernde Schiff senken wollte. Isaac York irrte sich selten.
    Das doppelte Steuerrad war natürlich unbesetzt. Weiter hinten stand ein Posten der Seesoldaten im Schatten. Vor ihm bewegte sich eine hängende Laterne. Die
Indomitable
war so umgebaut worden, daß sie achtern jetzt zwei große Kajüten enthielt – eine für den Kapitän und eine zweite für den Befehlshaber einer Flottille oder eines Geschwaders. Ihm würde in jedem Fall eine der beiden zustehen. Er nickte dem aufmerksamen Posten zu und griff nach der Klinke.
    Der Posten knallte den Kolben auf die Planken und brüllte: »Der Erste Offizier, Sir!«
    »Treten Sie ein!«
    Scarlett schloß hinter sich die Tür und sah, daß Tyackes Abendessen unberührt auf einem Tablett stand. Der Kaffee, um den er gebeten hatte, mußte mittlerweile eiskalt sein. Der Tisch quoll über von Büchern, Folianten in Leinwand und von Blättern mit eigenen Aufzeichnungen des Kommandanten.
    Scarlett dachte zurück. Kurz nach dem Verlesen der Urkunde hatten sich hier alle Offiziere versammelt. War das erst heute morgen geschehen? Seitdem hatte sich Tyacke ohne Pause in die Angelegenheiten des Schiffes vertieft.
    »Sie haben nichts gegessen, Sir. Soll ich Ihnen etwas kommen lassen?«
    Tyacke sah ihn jetzt zum ersten Mal an. »Sie waren bei

Weitere Kostenlose Bücher