Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dem Vaterland zuliebe

Dem Vaterland zuliebe

Titel: Dem Vaterland zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
den sie ein Tuch gewickelt hatte.
    »Es tut mir sehr leid, Sir!«
    Tyacke berührte ihren Arm. »Das macht nichts. Wir müssen alle mal anfangen.«
    Morgen würde es an Bord jeder wissen. Mein Schiff, dachte er. Die
Indomitable.
    Ihm fiel Bolitho ein, und die Gedanken machten ihn ruhiger.
    Die sind viel aufgeregter Ihretwegen.
    Meg ließ ihn beim Essen allein, stand nur einmal an der Tür, um ihn zu beobachten. Wie war er wohl zu dieser Narbe gekommen? Und konnte ein so gutaussehender Mann das je akzeptieren?
    Leise schloß sie die Tür. Als er schon längst gegangen war, dachte sie immer noch an ihn.

Die Indomitable
    Fuhrmann Henry ruckte leicht an der Leine, als die Räder über die ersten Pflastersteine der Werft klapperten.
    »Da draußen liegt sie vor Anker, Sir!« rief er. Er musterte das ausgeprägte Profil des Passagiers und verstand nicht, wie jemand freiwillig auf See gehen konnte, ob nun als Kapitän oder einfacher Matrose.
    Tyacke blickte über das glänzende Wasser und war von seiner eigenen Ruhe überrascht. Nein, das war keine Ruhe. Er spürte überhaupt nichts.
    Er schaute zur Mauer hinüber und war beruhigt. Die
Larne
hatte ihren Ankergrund verlassen, sicher um die Arbeiten im Rigg beenden zu lassen. Er fragte sich, ob die drüben von seiner Anwesenheit wußten. Vielleicht beobachtete ihn just in diesem Augenblick jemand von Bord mit dem Teleskop.
    »Da hinten gibt es Stufen«, sagte er.
    »Ich weiß, Sir. Ich kümmere mich mal um ein Boot für Sie!«
    Er wird es bestimmt finden,
dachte er. Die Bootsgasten warteten sicher schon seit dem Morgengrauen. Tyacke hatte das selber oft genug getan. Er hatte dabei immer versucht, sich den neuen Herrn und Meister vorzustellen. Denn der Mann würde das Leben jedes einzelnen an Bord bestimmen – das des Ersten Offiziers genauso wie das des jüngsten Schiffsjungen. Er könnte jeden befördern, degradieren, auspeitschen oder sogar hängen lassen, der seine Befehle nicht strikt befolgte.
    Tyacke fröstelte leicht, doch den Bootsmantel wollte er sich nicht umhängen. Über der See glänzte ein schöner Morgen, und die Wellen trugen weiße Kämme. Doch nicht die kühle Luft ließ ihn zittern. Er fürchtete sich einfach vor den nächsten Augenblicken dieses besonderen Tages.
    Riemen schlugen ins Wasser. Ein Boot hatte sich von einer Ankerboje gelöst. Seine Ankunft war also bemerkt worden.
    »Danke, Henry!« Er drückte dem Mann ein paar Münzen in die Hand und musterte dann die große Seekiste mit den Messingbeschlägen. Seit seine Verletzung ausgeheilt war, hatte sie ihn begleitet. Sie barg seine ganze kleine Welt.
    Ausgeheilt? Ganz bestimmt nicht. Jeden Tag wurde er daran erinnert. Er sah sich in den Gesichtern anderer Leute gespiegelt. Schrecken und Mitleid, die er dort jedesmal entdeckte, schmerzten ihn immer wieder.
    Die ganze Nacht über hatte er alles wiederholt, was ihm zur
Indomitable
eingefallen war. Sein Kopf war jetzt bis zum Bersten voll, würde platzen, wenn er nicht Ruhe fand. Alle Offiziere waren während der Werftzeit an Bord geblieben, auch der unglückliche Laroche, der so tölpelhaft in das Gasthaus gestürmt war. Der erste Zusammenprall. Weitere würden folgen.
    Er musterte jetzt das Schiff da draußen vor Anker.
    Ohne ihre ursprünglichen Toppaufbauten sah sie auf diese Entfernung aus wie jede andere Fregatte. Wie zum Beispiel die
Valkyrie,
deren oberes Kanonendeck höher lag als das von Linienschiffen der fünften und sechsten Klasse. Dadurch konnte sie mit größter Wirkung feuern.
    Kritisch beobachtete er jetzt das näher kommende Boot. Die Riemen hoben und senkten sich wie Flügel. Wahrscheinlich wäre selbst Allday damit zufrieden.
    Er drehte sich um, wollte sprechen, doch die kleine Kutsche war bereits verschwunden. Nur die Seekiste stand noch da. In engem Bogen näherte sich das Boot, und der Bugmann stand bereit, mit dem Haken den Ring an der Mauer zu fangen.
    Nach einer ganzen Ewigkeit hastete ein junger Leutnant die Treppe empor und schwenkte seinen Hut mit große Gebärde.
    »Protheroe, Sir. Zu Ihren Diensten!«
    »Ja, richtig, der Vierte Offizier.« Er beobachtete die Augenbrauen des jungen Mannes, die sich vor Überraschung hoben. Hatte er sich etwa geirrt?
    »Ja, richtig, natürlich, Sir!«
    Tyacke drehte sich bewußt so, daß der andere die verbrannte Seite seines Gesichts entdecken mußte. Beim Umdrehen sah er dann, wie blaß Protheroe geworden war. Doch er beherrschte seine Stimme. Die Befehle waren knapp und scharf. Zwei

Weitere Kostenlose Bücher