Dem Vaterland zuliebe
Jede Rah war bemannt, und in den Wanten sammelten sich winkende und rufende Matrosen. Selbst aller Lärm der
Indomitable
konnte die Grüße von drüben nicht übertönen.
Verblüfft blickte sich Scarlett um, als Tyacke seinen Hut abnahm und langsam mit ihm hinüberwinkte.
Er sah die unverletzte Seite von Tyackes Gesicht. Und er fühlte so etwas wie Mitleid, als er erkannte, was er hier miterlebte.
Es war ein letzter Abschied.
Das St. Georgs-Kreuz
Bolitho legte ihr den Arm um die Schultern und sagte: »Weiter nicht, Kate! Der Pfad ist gefährlich – selbst bei so hellem Mondlicht.«
Sie standen nebeneinander auf dem steinigen Pfad, der vom Pendennis Point herüberführte, und blickten über die See. Sie glänzte hell wie schmelzendes Silber. Die Sterne schienen dagegen fern und unbedeutend.
Seit ihrer Rückkehr aus London waren sie jeden Tag ausgeritten und hatten lange Spaziergänge gemacht. Sie genossen jeden Augenblick und jede gemeinsame Stunde, ohne über die Zukunft zu sprechen.
Die Hügel waren von Glockenblumen bedeckt und leuchtendem, gelben Stechginster.
Wie lange noch? Vielleicht drei Tage. Höchstens drei Tage.
Als ob sie seine Gedanken gelesen habe, sagte sie leise: »Morgen wird deine
Indomitable
hier vor Anker gehen!«
»Ja. Ich hoffe, daß sich James Tyacke inzwischen an seine neue Aufgabe gewöhnt hat.«
Sie drehte sich leicht zu ihm und schaute ihn an. Ihr Haar glänzte, als sie die Kämme herauszog und es über die Schultern fallen ließ.
»Werden wir uns je daran gewöhnen, Liebster?« Sie schüttelte den Kopf, ärgerlich über sich selbst. »Vergib mir. Es ist nicht leicht. Für keinen von uns. Ich werde dich immer vermissen!« Sie hielt inne, konnte kaum weitersprechen. »Es mag Abschiede geben, aber wir werden niemals getrennt sein.«
Winzige Lichter blinkten auf dem Wasser wie sinkende Sterne.
»Fischer an ihren Fangkörben!« sagte Bolitho. Er versuchte zu lächeln. »Oder Zollmöpse, die auf andere Beute warten.«
»Du erinnerst dich an das, was wir uns versprochen haben?« Sie trug eine Stola, die auf ihre Arme gerutscht war. Jetzt glänzten die nackten Schultern im hellen Mondlicht.
»Keine einzige Minute zu verlieren, Kate. Aber das war damals. Heute ist heute. Ich möchte nie wieder von dir getrennt werden. Wenn das hier vorbei ist…«
Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. Sie waren kühl in der Nachtluft. »Ich bin so stolz auf dich, denn nur du bist für diese Aufgabe geeignet. Nur du hast genügend Erfahrung und Erfolg. Du wirst allen, die unter deinem Kommando stehen, Mut machen. Haben Ihre Lordschaften dir eigentlich alles gegeben, was du haben wolltest?«
Er streichelte ihre Schultern. Ihre Glätte und ihre Kraft erregten ihn wie immer.
»Nicht mehr, als sie bieten können. Neben der
Indomitable
und der
Valkyrie
habe ich noch sechs weitere Fregatten, einschließlich der
Anemone,
an der in Plymouth noch die Reparaturen durchgeführt werden müssen. Und zusätzlich drei Briggs. Keine Flotte, aber immerhin ein bewegliches Geschwader, mit dem man rechnen muß.« Gott sei Dank war die
Larne
auf ihre Sklavenschiff-Jagden zurückbeordert worden. Für Tyacke wäre es eine schlimme Qual gewesen, sie Tag für Tag in der Nähe zu haben.
Er dachte jetzt an George Avery. Er war nicht im Haus geblieben, sondern in das Gasthaus nach Fallowfield gezogen, wo Allday vor dem Anbordgehen sicher zusehends unruhiger wurde. Denn der Zeitpunkt des Abschieds war nun klar. Es würde Allday vielleicht helfen, wenn er mit jemandem über das Schiff und sein Ziel sprechen könnte. Und es würde dem Flaggleutnant auch guttun, endlich zu akzeptieren, daß seine Schwester tot war und er nichts hatte tun können, um sie zu retten.
Plötzlich sagte Catherine: »Richard, machst du dir Sorgen wegen deiner Tochter?«
Bolitho blieb mit dem Schuh an einem losen Stein hängen und spürte ihren schnellen Griff, mit dem sie ihn stützte. »Ich habe vor dir keine Geheimnisse, Kate!« Er zögerte. »In zwei Monaten wird sie neun Jahre alt. Aber ich kenne sie nicht und sie mich nicht. Ihre Mutter hat eine Puppe aus ihr gemacht. Sie ist überhaupt kein richtiges Kind.«
Davon kam er nie los, von diesem Gefühl von Schuld und Verantwortung. Kate hatte wahrlich keinen Grund, ihn darum zu beneiden.
Er antwortete, als könne er ihre Gedanken lesen: »Ich liebe nur dich!«
Kate sah ihm gerade ins Gesicht. »Ich werde nie vergessen, was du meinetwegen aufgegeben hast.« Sie nahm seinen Kopf in ihre
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