Dem Vaterland zuliebe
bewunderte Tyacke sehr. Nur bei seinem Onkel hatte er noch mehr Charakterstärke und noch größeren Mut gefunden.
Er lächelte fast. Sicher seinetwegen hatte Bolitho dem Hafenadmiral ein paar deutliche Hinweise gegeben. Die
Anemone
war fürchterlich unterbemannt. Nach dem Gefecht mit den Kaperern hatten Tod und Verstümmelung ihren Tribut gefordert. Doch wenn sie diesmal Plymouth verließ, würde ihre Besatzung fast wieder vollständig sein. Bolitho mußte also mehr Männer verlangt haben. Möglicherweise Abschaum. Viele standen sicherlich schon halb unter dem Galgen oder vor der Verbannung, doch mit harter Disziplin und gerechter Behandlung würde man auch aus ihnen etwas machen können. Die sturen Köpfe, die überhaupt nicht reagieren wollten, würde Adam selber ausbilden. Aus ihnen wurden oft die besten Seeleute, vor allem aus denen, die bisher im Leben nur Armut und Unterdrückung gekannt hatten.
Er hob entschlossen das Kinn. Wenn sie auf seine Ausbildung und sein Vorbild nicht ansprachen, würde er sie auf andere Weise zu formen wissen.
Er dachte an seine drei Offiziere. Alle drei hatten schon Gefechte hinter sich, doch nur einer hatte auf einer Fregatte gedient. Für Adam war die Marine deutlich geteilt. Es gab Fregatten – und den Rest.
Die Unteroffiziere waren hervorragende und sehr erfahrene Seeleute. Wieder schien ihm, als sei sein Onkel an ihrer Auswahl beteiligt gewesen. Im Gegensatz zu seinen früheren Mannschaften kannte er keinen von ihnen. Vielleicht war es besser so. Er dachte an die Freunde zurück, die im letzten Gefecht gefallen waren, und an den Midshipman, der so schnell hätte befördert werden können. Der Junge war in seinen Armen gestorben, er hatte ihn angesehen, bis der Blick starr und unbeweglich geworden war.
Ja, es war schon besser, wenn man sich nicht zu sehr anfreundete. Wie oft hatte er seinen Onkel trauern sehen, wenn wieder mal einer von denen, die er seine glückliche Mannschaft nannte, gefallen war.
Catherine war jetzt allein, wartend und fragend. Sie wagte sicher nicht zu hoffen, daß die Mission schnell beendet sein und Richard bald wieder unverletzt nach Hause zurückkehren würde.
Für ihn bestand kein Zweifel, daß es zum Krieg kommen würde. Er hatte den amerikanischen Kapitän Nathan Beer nicht vergessen, der jetzt als Commodore ein eigenes Geschwader führte. Ein beeindruckender Mann, ein gefährlicher Gegner.
Jetzt sah er das Haus des Hafenadmirals mit der schönen vergoldeten Wetterfahne. Er würde ihm nur einen kurzen Höflichkeitsbesuch abstatten, obwohl es bekanntermaßen schwierig war, sich vom Admiral zu verabschieden. Seine Gastfreundschaft gegenüber jungen Kommandanten, die in die Werft einliefen, war überwältigend.
Eine Kutsche rollte gerade vor das Haus, zwei andere warteten in der Nähe.
Adam runzelte die Stirn und dachte über eine Entschuldigung nach, die ihm erlauben würde, schnell wieder zu gehen.
Die Kutsche rollte aus, und die Pferde stampften noch einige Male auf. Ein Seesoldat eilte herbei, um die Kutschentür zu öffnen und die Stufe herunterzuklappen. Es fiel etwas auf die Erde. Adam bückte sich und hob es auf.
»Entschuldigen Sie, Madam. Sie haben dies verloren!«
Er starrte an ihr vorbei auf den streng blickenden Soldaten, der ihn wie einen gefährlichen Angreifer musterte.
Zenoria sah ihm gerade in die Augen, nur das sichtbare Pochen ihrer Halsschlagader verriet ihre Rührung hinter der äußerlichen Beherrschtheit.
»Sie, Kapitän Bolitho! Welche Überraschung!«
Adam erwartete Zurückweisung, fürchtete, sie würde ihn stehenlassen. Er bot seine Hand, aber sie stützte sich auf den Arm des Seesoldaten. »Wußten Sie, daß ich hier bin?«
»Nein. Ich schwöre es«, sagte er.
Sie runzelte die Stirn, als ob sie ihn warnen wollte.
»Hier ist Mr. Petrie aus London.« Sie wandte sich zu einem Mann mit scharfem Profil um. »Darf ich vorstellen? Kapitän Adam Bolitho von Seiner Britannischen Majestät Schiff
Anemone.«
Der Mann versuchte zu lächeln, was ihm deutlich schwerfiel.
Zenoria fügte hinzu: »Mr. Petrie ist Anwalt, Kapitän Bolitho, und hat den Auftrag, für uns hier in Plymouth ein passendes Haus zu kaufen.«
Ihre Haltung und ihr Selbstvertrauen beeindruckten und überraschten ihn, aber als sie sich umdrehte, entdeckte er Schmerz in ihrem Blick.
Das Mädchen mit den Mondschein-Augen.
So hatte Bolitho sie genannt. Nur mit Mühe konnte er seine eigenen Gefühle unterdrücken.
Ein bedrückt dreinschauender Leutnant
Weitere Kostenlose Bücher