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Dem Vaterland zuliebe

Dem Vaterland zuliebe

Titel: Dem Vaterland zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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überziehen wie vormals Baratte.«
    Nancy hob beschwichtigend die Hand, was sie ihrem Mann gegenüber selten tat.
    »Bitte, Lewis. Errege dich nicht so.«
    Catherine bemerkte die schnellen Blicke. Nancy kannte also Lewis' Zustand, was immerhin schon ein Anfang war.
    Roxby grinste: »Ich werde mir etwas zu trinken holen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob die Damen …« Er ging schweren Schrittes davon, und Catherine beobachtete, wie Nancy frischen Tee orderte. Wie anders ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn sie damals Zeit genug gehabt hätte, sich in Richards Freund Martyn zu verlieben, damals Midshipman wie ihr Bruder. Hier lebte sie sorgenfrei und geachtet und lag nachts nicht wach, um dem Wind oder der dumpfen Brandung unter den Klippen zu lauschen. Aber Nancy war die Tochter eines Marineoffiziers und die Schwester des berühmtesten, noch lebenden Seehelden Englands. Doch vielleicht hätte sie jenes andere Leben diesem vorgezogen.
    Catherine merkte, wie Nancy plötzlich überrascht aufschaute. Roxby eilte aus dem Haus, einen versiegelten Umschlag in der Hand, und sah etwas ratlos aus. In den paar Sekunden fiel ihr ein, daß er nicht einmal an den Drink gedacht hatte, dessentwegen er ins Haus gegangen war.
    Nancy erhob sich. »Ein Brief – oder?«
    Roxby starrte sie an. »Ich weiß nicht. Er kam mit Sonderkurier in euer Haus, Catherine.«
    Catherine fühlte ihr Herz schlagen, schmerzhaft schlagen. Dann sagte sie gefaßt: »Laß mich lesen.« Sie nahm den Umschlag und entdeckte ein Wappen, das ihr irgendwie bekannt zu sein schien. Doch die Handschrift war ihr fremd.
    Roxby stand neben seiner Frau und legte ihr den Arm um die Schultern. Er spürte die Spannung wie etwas Fremdes, Feindliches.
    Catherine sah zu ihnen beiden auf. »Er ist von Valentine Keens Vater. Er schreibt, ich soll es sofort erfahren. Vals und Zenorias Kind ist tot. Es war ein Unfall. Der Junge ist erstickt.« Die Worte kamen tonlos und fast unverständlich. »Zenoria war nicht zu Hause, als es passierte. Sie bekam einen Nervenzusammenbruch. Vals Vater hat ihm sofort geschrieben. Die Admiralität ist auch informiert.« Sie drehte sich um, sah und hörte nichts, fühlte nur, daß keine Tränen kommen wollten. Wie lange hatte dies alles gedauert? Den Brief zu schreiben, um das Kind zu trauern, den Eilboten auf den Weg zu schicken? So war es nun wohl: Die Familie stand in Trauer zusammen, den Rücken der jungen Frau zugekehrt, die zu ihnen gekommen war. War es wirklich so grausam?
    Sie hörte Fergusons Stimme. Also war er auch hier.
    Sie griff nach seiner Hand, unfähig, ihn anzusehen.
    Roxby fragte dumpf: »Haben Sie Näheres erfahren?«
    »Ja, Sir Lewis.« Aber er sah nur Catherine an. »Einer der Stallburschen meint, er habe Mrs. Keen in Falmouth gesehen!«
    Roxby fuhr ihn an: »Das ist unmöglich, Mann. Es sind Meilen bis Hampshire!«
    Leise sagte Catherine: »Man ließ sie also gehen. Erlaubte ihr, nach allem, was geschehen ist, das Haus zu verlassen.« Sie reichte ihm den Brief. »Den solltest du lesen.« Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Als guter Freund und dann auch als Friedensrichter.«
    Roxby räusperte sich und starrte auf ein paar Leute, die hinter den Bäumen neugierig ihre Arbeit unterbrochen hatten.
    »Du da, Brooks. Reit wie der Teufel nach Truro und hol Hauptmann Tregear mit seinen Dragonern. Sag ihm, ich hab dich geschickt!«
    »Nein!« Catherine zog ihre Hand weg. »Ich weiß, wo sie ist. Als ich hierher ritt, hatte ich das Gefühl, daß mich jemand beobachtet. Ich wußte nicht, daß sie Abschied nehmen wollte …«
    Ferguson ergriff ihre Hand. »Ich werde Sie nach Hause begleiten, Mylady.« Seine Stimme verriet Mitgefühl, und er versuchte zu helfen, so wie Allday es getan hätte.
    Roxby rief laut: »Einen Wagen, schnell. Und ein paar Leute!«
    Aber es war schon viel zu spät. Sie ließen den Wagen dort stehen, wo Catherine mit Tamara vor vielen Wochen stehengeblieben war, um die
Indomitable
beim Auslaufen zu beobachten.
    Dann folgten sie dem gewundenen Küstenpfad, der an so vielen Stellen einfach ins Meer gebrochen war. Im Dunkeln wäre er selbst einem klettererfahrenen Mädchen aus Cornwall gefährlich geworden. Doch es war nicht im Dunkeln geschehen. Sie kletterten die letzte Steigung hoch und standen auf dem höchsten Punkt, einem Felsen, der wie zum Sprung geduckt schien. »Tristans Sprung« nannten ihn die Leute.
    Catherine stand bewegungslos, der Wind spielte in ihrem Haar und ließ ihr Kleid wehen.

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