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Dem Vaterland zuliebe

Dem Vaterland zuliebe

Titel: Dem Vaterland zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Erster Offizier der Fregatte
Anemone
mit achtunddreißig Kanonen, ging zum Achterdeck, gerade als im Bug acht Glasen geschlagen wurden. Er tippte grüßend an die Stirn als Reverenz an den Zweiten Offizier, den er ablösen wollte. Wie alle anderen Offiziere trug auch er nur Hemd und Hose, keinen Hut. Doch selbst die leichte Kleidung klebte an ihm wie eine zweite Haut.
    »Die Nachmittagswache ist bereit, Sir!«
    Diese Worte waren uralt und wurden auf allen Schiffen der Königlichen Marine gebraucht – vom Indischen Ozean bis zur Arktis.
    Der andere junge Offizier, im gleichen Alter wie er, antwortete mit derselben Exaktheit: »Der Kurs bleibt Südost bei Süd, der Wind hat gedreht auf ungefähr Nord bei West!«
    Um sie herum und unter ihnen zogen die Midshipmen und die Männer der Wache auf ihre Stationen, oder sie begannen mit dem Spleißen und Nähen, den nie endenden Aufgaben, wollte man ein Kriegsschiff kampffähig halten.
    Hudson nahm ein Teleskop aus dem Stell und zuckte zusammen, als er es ans Auge hielt. Es war heiß wie ein Kanonenrohr. Ein paar Augenblicke lang suchte er in der schimmernden Hitze und über dem tiefblauen Wasser die glänzenden Pyramiden der Segel der drei Handelsschiffe, die die
Anemone
von Port Royal an begleitet hatten. Auf den Bermudas würden sie zu einem größeren Geleitzug stoßen, der den Atlantik überquerte.
    Schon der bloße Gedanke an England ließ ihn sich die Lippen lecken. Sommer, nun ja, aber vielleicht würde es regnen. Kühle Brisen, unter den Füßen nasses Gras. Aber dann konnte er doch nicht reden. Er merkte, daß der Zweite Offizier, verantwortlich für die Wache am Vormittag, immer noch neben ihm stand. Er wollte reden, hier oben, wo ihnen keiner zuhören konnte. Hudson fühlte sich schuldig und nicht loyal. Er war Erster Offizier, nur dem Kommandanten verantwortlich für die Organisation und den Betrieb des Schiffes und den Einsatz der Mannschaft.
    Wie konnten sich Dinge nur so schnell verändern – in weniger als einem Jahr! Als sein Onkel, ein pensionierter Vizeadmiral, ihm dank der Fürsprache eines Freundes in der Admiralität den Posten hier auf der
Anemone
beschafft hatte, war er überglücklich gewesen. Wie die meisten ehrgeizigen jungen Offiziere sehnte er sich nach einer Fregatte. Daß er unter einem so berühmten Kapitän zweiter Mann sein sollte, erschien ihm damals wie ein Traum, der wahr geworden war.
    Kapitän Adam Bolitho stellte all das dar, was man vom Kommandanten einer Fregatte erwartete: Er war schnell entschlossen und tollkühn, aber er setzte niemals Leben aufs Spiel für eigene Zwecke oder persönlichen Ruhm. Besonders pikant wurde sein neuer Posten dadurch, daß der Kommandant des kleinen, aber so überaus wichtigen Geschwaders Bolithos Onkel war – von der Flotte gefeiert und geliebt, an Land von vielen verachtet. Alles war gutgegangen, bis Adam Bolitho nach dem Besuch des Flaggschiffs in English Harbour auf die
Anemone
zurückgekehrt war. Er arbeitete immer hart und erwartete, daß andere seinem Beispiel folgten. Oft genug tat er selber, was eigentlich Aufgabe eines einfachen Seemanns gewesen wäre, nur um damit Landratten oder anderen Gepreßten zu beweisen, daß er nichts Unmögliches von ihnen verlangte.
    Nun aber überschritt er alle Grenzen. Monatelang hatten sie, solange keine anderen Schiffe in ihrer nächsten Nähe waren, so nahe wie möglich unter der amerikanischen Küste patrouilliert. Sie hatten Schiffe unter allen möglichen Flaggen gestoppt und viele Deserteure an Bord genommen. Verschiedene Male hatten sie sogar auf Neutrale geschossen, die zu einer Inspektion nicht beidrehen wollten. Ein Viertel von
Anemones
Besatzung war auf Prisen unterwegs – nach Antigua oder Bermuda.
    Auch das schien den Kommandanten nicht mehr zufriedenzustellen, dachte Hudson. Er wich seinen Offizieren aus, kam nur an Deck, wenn die Führung des Schiffes es notwendig machte oder bei schlechtem Wetter. Das hatte in den vergangenen Monaten allerdings häufig genug geherrscht. Naß bis auf die Haut, mit Haaren, die ihm im Gesicht klebten, glich er eher einem Piraten als einem Offizier des Königs. Er hatte das Deck immer erst verlassen, wenn das Schiff nicht mehr in Gefahr war.
    Und er war jetzt immer kurz angebunden, ungeduldig – ein ganz anderer Mann als der, den Hudson damals in Plymouth getroffen hatte.
    Vicary, der Zweite Offizier, meinte: »Ich bin froh, wenn wir diesen Konvoi übergeben können. Die segeln so lahm, machen kaum mit – manchmal

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