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Dem Vaterland zuliebe

Dem Vaterland zuliebe

Titel: Dem Vaterland zuliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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entfernen, könnte er sterben. Wenn ich es nicht tue, wird er sicher sterben.«
    »Ich will, daß Sie ihn retten, Philippe.« Eine Antwort war nicht zu hören, und mit plötzlicher Bitterkeit fügte er hinzu: »Vergessen Sie nicht, ich habe Sie vor der Guillotine gerettet. Haben ich da gefragt, was soll's?« Und fast brutal fuhr er fort: »Ihre Eltern und Ihre Schwester, was hatte man mit denen gemacht? Die Köpfe abgeschlagen und auf Piken gesteckt und durch die Stadt paradiert, damit man sie anspucken konnte. Das war französischer Mob, nicht wahr?«
    Jemand hielt einen Schwamm voll Wasser gegen Adams Lippen. Er war nicht mehr kalt, nicht mal kühl, und es schmeckte säuerlich. Aber als er seine Lippen bewegte, schien es ihm wie Wein.
    Wieder der Commodore: »War das alles, was er bei sich hatte?«
    »Das und seinen Degen!« antwortete der Arzt.
    Beer schien überrascht. »Der Handschuh einer Dame. Ich möchte gern wissen …«
    Adam holte Luft und versuchte den Kopf zu drehen.
    »Meine…« Sein Kopf sank zur Seite. Es war wie in einem Alptraum. Er war tot – und sich dessen ganz sicher.
    Dann spürte er Beer an seiner Schulter atmen. »Hören Sie mich, Kapitän Bolitho?« Er packte Adams rechte Hand. »Sie haben tapfer gekämpft, was niemand bestreiten wird. Ich hoffte, ich würde Sie zur schnelleren Aufgabe zwingen, um damit Leben zu schonen. Außerdem wollte ich Ihr Schiff übernehmen. Aber ich habe Sie unterschätzt.«
    Adam hörte wieder seine eigene Stimme, fern und heiser: »Der Geleitzug?«
    »Den haben Sie gerettet.« Er versuchte zu spötteln.
    »Jedenfalls für dieses Mal.« Doch seine Stimme blieb heiser wie vorher.
    Adam konnte nur ihren Namen nennen.
»Anemone.«
    »Sie ist gesunken. Man konnte sie nicht retten.« Irgend jemand sprach leise und dringend aus der anderen Welt auf Beer ein. Der erhob sich und grunzte: »Man braucht mich oben.« Er legte Adam seine schwere Hand auf die Schulter. »Aber ich komme wieder.« Er bemerkte nicht, wie Beer und der Franzose schnelle Blicke austauschten. »Sollten wir jemanden …«
    Er versuchte ein Kopfschütteln. »Zenoria … Ihr Handschuh … sie ist tot.«
    Er fühlte starken Rum in seinem Mund. Der nahm ihm fast den Atem, doch seine Gedanken rasten noch schneller. Durch die Schmerzwellen hindurch hörte er, wie Metall gerieben wurde. Dann hielten kräftige Hände seine Hand- und Fußgelenke wie eiserne Fesseln.
    Der Schiffsarzt sah zu, wie man ihm einen Streifen Leder zwischen die Zähne schob, dann hob er die Hand, und das Leder wurde entfernt.
    »Wollten Sie etwas sagen, M'sier?«
    Adam sah so gut wie nichts, aber er hörte sich deutlich sagen: »Es tut mir leid wegen Ihrer Familie. Eine schreckliche Sache …« Seine Stimme trudelte weg, und einer der Arztgehilfen sagte scharf: »Es ist höchste Zeit, Sir!«
    Doch der Arzt sah immer noch in das bleiche Gesicht des feindlichen Kapitäns, das jetzt gelöst schien, weil er gerade das Bewußtsein verloren hatte.
    Er legte seine Hand auf Adams nackten Leib und ließ einen seiner Männer den blutgetränkten Verband entfernen.
    Er murmelte: »Danke. Für ein paar von uns besteht vielleicht dennoch Hoffnung.«
    Dann nickte er den anderen zu, die um den Tisch herumstanden, und begann die Untersuchung der Wunde. Er war so an die Qualen gewöhnt, die er auf Schiffen und Schlachtfeldern erlebt hatte, daß er selbst bei dieser Arbeit über den jungen Mann nachdenken konnte, dem der große Commodore Beer das Leben gerettet hatte.
    Als er schließlich an Deck trat, war es stockdunkel. Winzige Sterne standen am Himmel und spiegelten sich bis zum fernen, fast unsichtbaren Horizont im Wasser.
    Die Reparaturarbeiten am Schiff und im Rigg waren für die Nacht unterbrochen worden. Die Männer lagen erschöpft an Deck. Im Dunkeln schien es, als lägen dort noch immer Tote. Auch der Pulverrauch hing noch in der Luft und der Geruch des Todes.
    Philippe Avice wußte auch als Arzt, daß Matrosen Wunder vollbringen können. Ohne einen Hafen anlaufen zu müssen, würden die Männer der
Unity
ihr Schiff bald wieder segel- und kampfbereit haben. Nur ein Fachmann würde erkennen, welche Schäden die kampfestolle englische Fregatte ihm beigebracht hatte.
    Und die Toten? Die trieben wie Blätter im Wasser, sanken in die großen Tiefen des Meeres. Und die Verwundeten warteten in Furcht und Schmerz auf den Morgen. Was würde der neue Tag ihnen bringen?
    Commodore Beer saß an seinem Tisch in der großen Kajüte. Der Arzt sah, daß der

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