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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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Schuldgefühl reden, die Tommys Worte in ihr hinterlassen hatten. Er hatte recht, sie hatte ihren Vater verraten. Sie würde in der Hölle landen. Madame Odile lachte nur, als sie das hörte, doch sie hörte Melody geduldig zu, bis ihre Tränen versiegten. Dann sagte sie in für Melody überraschend sorglosem Ton: »Das ist doch nicht so schlimm. Ich dachte schon, du würdest mir sagen, Roger habe sich mit einer anderen vergnügt. Lass deinen Vater in Frieden ruhen und deinen Bruder sein Leben leben. Und du leb das deinige. Mit der Zeit wird Tommy schon zur Vernunft kommen. Kehr nach El Retiro zurück, bevor der Herrscher sich fragt, wo du bist«, riet sie ihr zum Abschied.
    Madames Rat brachte sie nicht weiter. Die Befürchtungen und das Schuldgefühl quälten sie nach wie vor. Als sie aufschaute, war sie mit Fuoco bereits in der Nähe des Schlachthofs. Kein hübsches Mädchen hätte sich je an diesen Ort gewagt. Doch Melody hielt es für eine exzellente Gelegenheit, mit Servando zu sprechen und ihn nach Tommy zu fragen.
    Zu spät bemerkte sie die beiden Reiter, die auf sie zukamen. Sie drehte sich um und wollte flüchten, doch als sie hörte, dass eine bekannte Stimme ihren Namen rief, hielt sie inne. Sie legte
sich die Hand über die Augen und schaute. Als sie die beiden erkannte, verspürte sie ein Stechen in der Brust. Wie angewurzelt stand sie da.
    »Paddy«, sagte sie nur, als er vor ihr stand.
    »Ja, Paddy.«
    Weil sie ihn immer noch verblüfft anstarrte, fing Paddy an zu lachen. Sein Begleiter, Gotardo Guzmán, der Kommissar von Capilla del Señor, stimmte in das Gelächter ein.
    »Hältst du mich für eine umherwandernde Seele? Weit gefehlt, Cousinchen. Ich bin aus Fleisch und Blut«, sagte er und schlug sich auf den Arm.
    »Aber an dem Abend … «, stammelte Melody, » … an dem Abend habe ich … «
    »Mich verletzt«, vollendete Paddy den Satz, »und zwar ziemlich schwer, doch meine Mutter hat mich gerettet. Und du hast dein Zeichen hinterlassen.« Er zeigte auf die vernarbte Bissspur am Kinn.
    »Wie hast du mich gefunden?«
    »Ach, das ist eine lange Geschichte. Ich werde sie dir auf dem Rückweg erzählen. Los, wir müssen zurück. Ich will nicht, dass die Dunkelheit uns auf freiem Feld überrascht.«
    Melody reagierte. Sie stieß die Fersen in Fuocos Flanken und zog an den Zügeln, damit er wendete. Doch der Kommissar riss sie ihr aus den Händen, und schon hatte Paddy sie aus dem Sattel gehoben und vor sich auf das Pferd gesetzt. Melody schrie und wand sich, aber ihr Cousin war stärker. Er presste ihr die Hand auf den Mund und hielt ihr etwas vor die Augen.
    »Ruhig«, flüsterte er ihr zu. »Sieh dir das hier in Ruhe an.« Es handelte sich um eine Goldkette und ein Medaillon. »Das kommt dir bekannt vor, nicht?« Ihr erstickter Schrei sagte ihm, dass sie es erkannt hatte. »Ganz recht: Ich habe Tommy und ich werde ihn töten, wenn du nicht mit nach Bella Esmeralda kommst.«
    Melody verschwamm alles vor Augen. Ihr einziger Gedanke
galt Blackraven. Tiefe Traurigkeit überkam sie, und sie wurde ganz still. Sie verfluchte sich, weil sie ihm nicht gesagt hatte, wie sehr sie ihn liebte und wie sehr sie sich wünschte, für immer bei ihm zu sein.
     
    Elisea hatte gesehen, wie Miss Melody gemächlichen Schrittes auf den Schlachthof zuritt. Missmutig schlug sie sich mit der Faust auf das Bein. Ihr ganzer Tag lief furchtbar. Sie hatte Servando nicht im Schlachthof gefunden. Er war verlassen; die Schlachter hatten ihre Körbe bereits gefüllt und waren losgezogen, um die Ware zu verkaufen. Wahrscheinlich waren sie gerade beim Recoletos-Kloster, das sie täglich versorgten. Sie hatte noch Zeit, dorthin zu gehen und später nach El Retiro zurückzukehren, bevor ihre Tante Leo ihre Abwesenheit bemerkte und ihr eine Standpauke hielt. Miss Melody kam äußerst ungelegen. Elisea musste sich verstecken und warten, bis Melody weg war, bevor sie ihren Weg fortsetzen konnte.
    Hinter einer Lehmmauer kauernd, hatte sie den Angriff beobachtet. Die finsteren Gesichter der beiden Männer und die Art, wie sie lachten, machten ihr Angst. Elisea legte die Hand auf den Mund, um nicht laut aufzuschreien, als der Jüngere Melody auf sein Pferd hob. Sie duckte sich, kniff die Augen zusammen und betete, bis das Hufgetrappel verklungen war. Dann stand sie auf, und sogleich entfuhr ihr ein Schrei: Sabas sah sie mit spöttischem Blick an, als hätte er sie schon eine ganze Weile beobachtet.
    »Dummkopf!«, griff sie ihn an. Die Wut

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