Dem Winde versprochen
es äußerst vorteilhaft für ihre Taschen ist. Ich denke, ein so mitfühlendes und menschliches Herz wie das Ihre würde bluten, wenn Sie sähen, unter welch entwürdigenden Bedingungen die Indios von Potosí leben.«
»Es ist für mich nur schwer nachzuvollziehen, was einen Menschen dazu bringt, einem anderen die Würde zu nehmen, nur um sich die Taschen zu füllen. Und dabei kann man doch nichts mitnehmen ins Grab.«
»Wegen der Auseinandersetzung mit den Provinzgouverneuren und Landeignern mussten wir Chuquisaca mit unserem kleinen Sohn verlassen.«
»Das tut mir leid.«
»Das muss es nicht. Ich bin glücklich hier. Und Ihre Freundschaft würde dieses Glück noch größer machen.«
»Das wäre mir eine große Ehre«, versicherte Melody lächelnd.
Am Kopfende sitzend ließ Blackraven den Blick über seine Gäste schweifen. Marie hörte William Traver zu; Louis sprach mit Manuel Belgrano über die Wiedereröffnung der Zeichenschule; sein Nachbar Altolaguirre tuschelte mit Pater Mauro, während seine Frau Leonilda nach dem Gesundheitszustand ihres Schwagers Valdez e Inclán befragte.
Als sein Blick am gegenüberliegenden Ende des Tisches ankam, wo Melody als Gastgeberin saß, hielt er inne. Es war nicht leicht gewesen, sie dazu zu bewegen. Immer wieder hatte sie den Anstand ins Feld geführt. Doch seit ihrem Verschwinden
zählten gesellschaftliche Belange für ihn nicht mehr, sondern nur noch die einfachen Dinge – das Glück, sie gegenüber sitzen zu sehen, wie sie mit Guadalupe lachte, eine Frucht aß oder sich mit der Zunge über die Lippen fuhr, um den süßen Saft abzulecken.
Später im Musikzimmer bat er sie, Harfe zu spielen. Als sie geendet hatte, applaudierten die Gäste voller Bewunderung, und während die Kommentare noch andauerten, ging Blackraven auf sie zu und reichte ihr ein Glas Likör. Dann erhob er seines und sagte: »Liebe Freunde, ich möchte, dass ihr mit mir gemeinsam auf meine Verlobte, Miss Isaura Maguire, anstoßt, die in drei Tagen meine Frau werden wird.«
Ein Raunen ging durch den Raum.
»Auf dich, Isaura.« Er lächelte ihr mit dem erhobenen Glas in der Hand zu und sah gerührt die Tränen in ihren Augen. Nach einem kurzen Räuspern fuhr er fort: »Am nächsten Sonntag, nach der Trauung durch Pater Mauro, die hier in El Retiro stattfindet, seid ihr alle eingeladen, mit uns gemeinsam zu Mittag zu essen.«
Béatrice wälzte sich im Bett hin und her. Sie war hellwach und spürte, wie ihr Herz pochte. Sie dachte an Melody und an Blackraven. Sie hatte schon den Verdacht gehabt, dass sie miteinander schliefen, noch bevor Tommy Maguire hereingeplatzt war und seine Schwester als Hure bezeichnete.
Sie hatte noch nie mit einem Mann geschlafen, und es fiel ihr nicht leicht, sich einen leidenschaftlichen Liebesakt vorzustellen. Doch ihr Cousin gehörte zu den Männern, die sogar eine Jungfrau auf sündige Gedanken bringen konnten. Sie schloss ganz fest die Augen und schüttelte den Kopf, um die Bilder zu vertreiben.
Sie war nicht glücklich mit der Nachricht über die Hochzeit von Roger und Miss Melody. Dunkle Gefühle regten sich in ihr.
Sie bedauerte es, dass sie zugesagt hatte, sie am nächsten Morgen zu begleiten, um die Brautausstattung zu kaufen. Roger hatte sie darum gebeten und ihr eine große Summe Geld gegeben.
Sie nahm sich fest vor, mit Mister Traver zu reden. Auch wenn er ihr die Erklärung der kompromittierenden Szene zwischen ihr und Louis abgenommen hatte, sprach er nicht mehr von Heiratsabsichten. Aus Rücksicht auf das Versprechen, das sie Roger gegeben hatte, hatte sie ihm ihre Identität nicht enthüllt und Louis als ihren Cousin ausgegeben. Doch jetzt würde sie nicht länger schweigen. Wenn Roger sich entschieden hatte, Miss Melody zu heiraten, dann hatte sie das Recht, dasselbe mit Mister Traver zu tun. Und sie würde ihn nicht ehelichen, ohne ihrem künftigen Ehemann ihre wahre Identität zu offenbaren.
Die Füße in den Korduanlederstiefeln taten ihr weh. Gemeinsam mit Béatrice und Somar und Anita im Schlepptau hatten sie die Geschäfte von Buenos Aires abgeklappert, um ihre Brautausstattung zusammenzustellen.
Sie waren auch durch die Recova geschlendert, eine Art Markt auf der Plaza Mayor. Hinter der Recova, Richtung Fluss, befand sich das Fort, die Residenz des Vizekönigs.
Das Angebot des Marktes bestand hauptsächlich aus Lebensmitteln. An der Südseite der Recova waren die Schänken und Kneipen, im Ostflügel die Metzgereien. Die Fischstände
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