Dem Winde versprochen
Umgangsformen, und Melody hegte den Verdacht, dass ihr die Seeleute die wahre Natur des Mannes zeigten, den sie liebte: die des verwegenen, impulsiven Piraten.
Am nächsten Vormittag erreichten sie El Retiro. Als Melody Bustillo auf seinem Rotschimmel sah und um ihn herum die emsig arbeitenden Sklaven und die Hausmädchen, die die Teppiche ausklopften, hatte sie das Gefühl, als sei nichts geschehen. Sie sprang von Fuoco und rannte ins Haus. Jimmy und Víctor juchzten vor Freude. Béatrice umarmte sie schweigend und küsste sie auf beide Wangen.
»Danke, dass du auf die Kinder aufgepasst hast«, sagte Melody, den Tränen nah.
Jimmy ließ ihre Hand nicht mehr los und fragte immer wieder,
warum sie weggegangen war, ohne ihm Bescheid zu sagen. Melody wich ihm aus, doch Jimmy schien sich nicht beruhigen zu wollen.
»Hast du deine Medizin genommen?«, fragte sie, denn er sah gar nicht gut aus.
»Ja, Señorita Leo hat sie mir gegeben.«
»Hast du gut geschlafen?«
»Es geht. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.«
»Heute Nacht wirst du bestimmt gut schlafen, ich bin ja jetzt wieder da. Und jetzt geh mit Víctor ins Studierzimmer. Ich komme gleich nach.«
Auf dem Weg dorthin begegnete Jimmy Blackraven, der ihm fest die Hand drückte und die Wange tätschelte.
»Danke, dass Sie sie mir zurückgebracht haben.«
»Es war mir ein Vergnügen«, erwiderte Roger.
»Werden Sie meine Schwester jetzt heiraten?« Blackraven sah ihn amüsiert an. »Mir würde es nichts ausmachen«, erklärte Jimmy schnell, »im Gegenteil, ich würde mich freuen. Es stört mich nicht, dass Sie Engländer sind.«
»Jetzt, da du eingewilligt hast, müssen wir deine Schwester nur noch bitten, ein Datum festzulegen.«
Er ging in Melodys Zimmer. Trinaghanta hatte die Wanne schon gefüllt und legte die Handtücher bereit.
»Soll ich für Sie auch ein Bad vorbereiten?«
»Das wird nicht nötig sein, ich werde mit Isaura baden.«
Melody warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. Trinaghanta verließ das Zimmer und Blackraven folgte ihr bis zur Tür und schloss ab. Als er sich umdrehte, traf ihn ein Kleidungsstück im Gesicht.
»Unverschämter Kerl!«, rief Melody, ein Lachen unterdrückend. »Du ziehst meinen Ruf in den Schmutz, und es ist dir vollkommen egal.«
Blackraven umfasste sie.
»Ich will, dass du das Datum für die Hochzeit festlegst. Sie soll so bald wie möglich stattfinden. Du sollst vor Gott schwören, dass du für immer mein sein wirst.«
»Ich weiß nicht, Roger.«
»Dann wird sie in einer Woche stattfinden. Ich werde noch heute mit Pater Mauro sprechen.« Er betrachtete den verwirrten Gesichtsausdruck, der ihm an ihr so gefiel. In solchen Momenten hatte sie etwas von einem kleinen Mädchen. Etwas sanfter gestand er dann: »Ich hatte Angst, du würdest in Bella Esmeralda bleiben wollen. Ich hatte Angst, dich zu verlieren.«
»Niemals«, raunte sie.
Guadalupe Cuenca, die Frau von Doktor Mariano Moreno, legte das Besteck auf den Teller, tupfte sich mit der Serviette die Lippen ab und sagte zu Melody, die neben ihr saß: »Ich bewundere Sie, Miss Maguire.« Melody sah sie fragend an. »Sie sind ein Musterbeispiel an christlicher Güte. Ich weiß, was sie alles für die Sklaven tun. Ich habe gehört, wie Sie sich für diese Sklavin eingesetzt haben, und unser Nachbar, Señor Bustamante, hat uns erzählt, sie hätten ihr und ihrem Kind das Leben gerettet.«
»Nicht ich, sondern Blackraven hat Polina und ihrem Baby das Leben gerettet. Er hat sie bis ins Haus getragen und Doktor Redhead gerufen. Sonst wären beide dort unten am Flussufer gestorben.«
»Der Herr Graf ist wirklich großherzig«, stimmte ihr Morenos Frau zu. »Und ich gehe davon aus, dass der Einfluss des Schwarzen Engels seine Großherzigkeit noch verstärkt hat.« Sie lächelte. »Señor Bustamante sagte, sobald Polina und der Kleine das Haus verlassen können, wird er sie mit seiner Kalesche abholen. Er bedauert, dass er das arme Mädchen in diesem Zustand noch hat arbeiten lassen.«
»Das ist eine gute Nachricht«, sagte Melody.
»Kann ich Ihnen etwas erzählen, Miss Maguire?«
»Nennen Sie mich doch bitte Melody.«
»Gut, dann sagen Sie Lupe zu mir. Also, Melody, mein Mann hat es in Chuquisaca gewagt, seine Stimme für Indios zu erheben, die als Sklaven in den Minen arbeiteten.«
»Ich dachte, es sei durch die Leyes de Indias untersagt, Indios zu versklaven.«
»In der Tat. Aber die Landbesitzer und die Behörden haben dieses Gesetz so ausgelegt, dass
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