Dem Winde versprochen
erkannt. Traver hat sie nach Hause gebracht.«
»Meine Cousine war völlig ohne Begleitung? Nicht einmal die kleine Sklavin war bei ihr?« O'Maley nickte. »Und was hat Traver danach gemacht?«
»Er ging zu seiner Wohnung zurück und hat sie nicht verlassen. Ich stand dort auf Posten, bis Somar kam und sagte, Eure Exzellenz würden dringend nach mir verlangen.«
Blackraven kannte O'Maley seit vielen Jahren. Der Ire war äußerst scharfsinnig und verschwiegen. Sie hatten von Anfang an zusammengearbeitet, und er hatte bei mehr als einer heiklen Mission seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt.
»Ich habe es dir nicht gesagt«, gestand Blackraven, »aber ich habe schon vor einiger Zeit Travers Zimmer bei der Witwe de Ávila durchsucht. Traver ist kein Schotte. Er ist Le Libertin.« O'Maley und Somar zuckten zusammen. »Ich habe gerade diese Nachricht entschlüsselt, die ich in seinem Schlafzimmer gefunden habe.« Er reichte sie O'Maley, der sie dann an Somar weitergab. »Le Libertin wird nicht lange brauchen, um herauszufinden, dass Désoite Louis XVII . ist. Wahrscheinlich weiß er es schon und schickt in diesem Moment seinen Auftraggebern eine Nachricht.«
»Und wer sind die Auftraggeber?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht Napoleon oder der Comte de Provence oder die englische Regierung. Wer auch immer es ist, ich will kein Risiko eingehen. Nachdem er uns verraten hat, für wen er arbeitet, muss Le Libertin eliminiert werden.«
Eine Stunde später kehrte O'Maley mit schlechten Nachrichten in das Haus in der Calle San José zurück: Le Libertin war verschwunden, seine Zimmer waren leergeräumt. Es lag nur ein
Umschlag mit Geld auf dem Tisch, zusammen mit der Nachricht, dass es sich um die restliche Miete handele.
»O'Maley, du machst dich noch heute Nacht auf die Suche. Bitte Zorilla, dir zu helfen. Der Kerl kann noch nicht weit sein. Überprüft die Gasthäuser, vor allem das
Los Tres Reyes
, und behaltet die Häuser der Jakobiner im Auge. Und du, Somar«, sagte er an seinen Diener gewandt, »gehst zum Riachuelo. Wenn Le Libertin nach Colonia oder Montevideo übersetzen will, braucht er ein Boot.«
Blackraven verabschiedete seine Männer und schloss die Papiere ein. Dann legte er sich auf das Sofa und hob den Arm über das Gesicht. In jedem Muskel und jedem Körperteil konnte er die Anspannung spüren. Kurz darauf sagte er sich, dass es keinen Sinn habe, auf dem Sofa zu warten, und so begab er sich in sein Schlafgemach, wo Gilberta ein paar Kerzen angezündet hatte. Auf dem Nachttisch fand er einen Teller mit drei Pfirsichen und einer Nachricht:
Ich habe sie für dich gekauft. In Liebe, Isaura.
Er nahm einen und roch daran. Selten hatte ihn ein Geschenk so gerührt. Isaura war es auf ihre erfrischend einfache Art wieder einmal gelungen, ihn, der alles hatte, zu überraschen.
Sie lag auf dem Bett, nur spärlich mit einem Nachthemd bekleidet, und schlief so friedlich, wie es nur Menschen mit einem reinen Herzen tun. Seit Jahren schon hatte er nicht mehr so fest geschlafen, auch keine ganze Nacht mehr. Er hatte sich an einen Rhythmus von höchstens vier Stunden gewöhnt.
Er sah sie an, ohne sie zu berühren. Ihre Ruhe und Sanftheit ließen endlich Frieden in seinem Geist und seinem Körper einkehren. Sein Atem ging langsamer, und seine Lider wurden schwer. Er zog Stiefel und Hose aus und legte sich neben Melody. Sie rührte sich kaum, als er die Arme um sie schlang.
Am anderen Morgen, noch vor der Rückkehr nach El Retiro, ließ Blackraven Béatrice ausrichten, er erwarte sie in seinem Arbeitszimmer.
Trotz des aufreibenden gestrigen Tages hatte er so gut geschlafen wie selten in den letzten Jahren. Er war in eine tiefe Bewusstlosigkeit gesunken, bis Melodys Küsse ihn geweckt hatten. Die geruhsame Nacht half ihm, Béatrice gelassen gegenüberzutreten.
»Du warst gestern sehr spät zurück«, tadelte er sie.
»Ich weiß, dass wir meinetwegen nicht mehr nach El Retiro zurückkonnten. Es tut mir leid.«
»Mit wem hast du den Nachmittag verbracht?«
»Mit Marica Thompson, zusammen mit ein paar Freundinnen. Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Als ich auf die Uhr sah, war es schon dunkel.«
Blackraven stand auf und ging auf sie zu. Sie drehte sich nicht um, auch nicht, als er ihr die Hand auf die Schulter legte.
»Warum lügst du mich an, Marie? Warum sagst du mir nicht die Wahrheit?«
»Wovon sprichst du, Roger?« Sie fuhr herum und sah ihn ungeduldig an.
»Ich spreche davon, dass du nicht den ganzen
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